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01.07.2013 - Reutlinger General-Anzeiger

Naturtheater - Kinderstück »Mein Freund Wickie« feiert bei den Wasenwald-Festspielen unter viel Applaus Premiere


Sangesmächtige Wikingersippe

VON MONIQUE CANTRÉ


»Hey, hey, Wickie« – in vollendetem Partytanz zum fetzigen Auftaktsong enterten die 29 Darsteller über die Zuschauertribüne die Freilichtbühne. Zur Premiere des Kinderstücks im Naturtheater Reutlingen hatten sich am Freitagabend nahezu theaterfüllend kleine und große Zuschauer versammelt, vom Vorsitzenden Rainer Kurze kurz und vergnüglich willkommen geheißen.

Josef Göhlens Bühnenfassung der Story um den vor allem als Zeichentrickfigur populär gewordenen Wikingerjungen aus den Erzählungen Runer Jonssons mit dem Titel »Mein Freund Wickie« macht zunächst mit dem Dorfleben des alten Seefahrervolkes bekannt und schildert dann die mutige Befreiung der in Gefangenschaft geratenen Männer aus den Fängen des Bösewichts Gröll durch Wickie. Zahlreiche außerordentlich eingängige Songs von Christian Bruhn zwischen Shanty und Techno machen die Aufführung beinah zu einem Musical.


Einstudiert vom neuen musikalischen Leiter Anselm Nadj wurden sie – ob Solo oder im Chor – mitreißend dargeboten, getragen von einer hervorragend unterstützenden Tontechnik. Allerdings kam der Applaus dafür vorwiegend von den Erwachsenen, denn Kindern behagt es bekanntlich nicht so sehr, wenn die Handlung von so vielen Musikeinlagen aufgehalten wird.

Debüt von Janne Wagler

Ihr NTR-Debüt feierte auch Regisseurin Janne Wagler. Ihr verdankt die Aufführung auf der riesigen Bühne unter freiem Himmel eine heitere Leichtigkeit. Sie verstand es, die große Schar mit jungen und jüngsten Laienspielern unverkrampft ins oft bewegte Spiel zu bringen. Das Bühnenbild entwarf Jolanta Slowik. Eingekleidet wurden die Darsteller von Trude Heck, die damit ein gedecktes Farbkonzept mit folkloristischer Note verfolgte: lange Gewänder mit schmucken langen Schürzen für Frauen und Mädchen, Fellwesten und kniehohe Fellstiefel für die rauen, bärtigen Männer, die natürlich auch die typischen gehörnten Wikingerhelme trugen.

Das Stück beginnt damit, dass im Wikingerdorf Flake der Geschlechterstreit aufflammt. Die Männer kommen endlich von einer langen Seefahrt zurück, bringen den Frauen jedoch weder die benötigten Waschzuber noch Leder für Kleidung mit, sondern nur Fische, weil sie sich vor allem mit Angeln die Zeit vertrieben haben. Die Frauen schimpfen, verschwinden dann aber doch mit ihren Männern in den Hütten.

Vielleicht hat sie auch das Mitbringsel der weißen (Friedens-) Brieftauben besänftigt, die dann höchst imposant über die Baumwipfel in Richtung ihres Betzinger Taubenschlags davonflattern. Eine zweibeinige Taube (Olivia Samida) ist ebenfalls eine Zutat von Janne Wagler, die einige Dinge in der Aufführung anders gewichtet als der Originaltext.


Der böse Gröll greift an

Bald wird sichtbar, dass Wickie mit seinem Vater Halvar Probleme hat und umgekehrt. Wickie ist weder ein Raufbold noch angstfrei und will auch kein Freibeuter werden. Seine Mutter und seine Freundin Ylvi verstehen ihn, sein Vater, der Wikingerhäuptling, jedoch überhaupt nicht.

Als jedoch das Schiff mit der gesamten Mannschaft Halvars von zwei (!) schwarzen Kriegern des gefürchteten Gröll gekapert wird (was freilich szenisch nicht annähernd bewältigt wird), während die Daheimgebliebenen das schöne Lied vom Frieden singen, fasst sich Wickie ein Herz und macht sich auf, die Mannen zu retten. Als er bei Gröll landet, wird dort mit Tamtam samt sportivem Hofnarren und todschicken Dienerinnen eine Fress-Orgie gefeiert. Wickies Schwert-Finte geht zwar schief, aber mit dem goldenen Ring vom Seher Orne kommt der Wikingerjunge schließlich doch ans Ziel – und die Männer wieder nach Flake zurück.

Unter den starken Hauptdarstellern fällt neben Jakob Sulz als Wickie besonders die bezaubernd natürlich spielende Julia Stirmlinger als Ylvi auf. Sinan Liebert ist der raubeinige Halvar, Ute Raiser die gütige Häuptlingsgattin, Jan Bayer der Gröll, Heiko Raiser der weise Orne – sie stehen für eine tolle Truppe spielfreudiger Hobby-Mimen, die den prasselnden Applaus nach der Premiere absolut verdient haben. (GEA)




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