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24.08.2015 - Reutlinger General-Anzeiger

Bühne – Das Naturtheater Reutlingen zeigt "Ein UFO wurde ferngesehen – das Gemüsical" als Mitternachtsspecial


Der ferne Planet heißt Erde

VON CHRISTOPH B. STRÖHLE

 

Nicht unbedingt früh aufstehen, aber lange wach bleiben muss, wer das Ensemble des Naturtheaters Reutlingen in seiner neuesten Produktion erleben will, dem Gemüsical "Ein UFO wurde ferngesehen". Das zweistündige, tempo- und pointenreich inszenierte Spektakel startet um 23.30 Uhr und dauert bis 1.30 Uhr. Eine einzige Aufführung – am 28. August – gibt es noch.


Bei der Uraufführung am Samstag war das Publikum ganz aus dem Häuschen. Bei guten Wetterverhältnissen, wenngleich nicht übermäßig sommerlichen Temperaturen, gaben die Darsteller eine mitreißende Vorstellung.

 

"Wir möchten mit dem Stück nicht die Welt verändern", hatte der Autor, Regisseur und Darsteller des Zwiebelus Bioschleck, Sascha Diener, vorausgeschickt und deutlich gemacht, dass es um vergnügliches "Remmidemmi" gehe.

 

Bei dem, was folgte, hätte man sich ein Mehr an Spielfreude gar nicht wünschen können. Trotz der vorgerückten Stunde waren die Akteure hellwach, und auch hinter den Kulissen klappte alles wie am Schnürchen – keine Selbstverständlichkeit, wenn man bedenkt, dass in den Proben der vergangenen sechs Wochen lediglich eineinhalb Mal das komplette Ensemble versammelt war, wie Diener erläuterte.

 

Dreh zum epischen Theater 

Dass das Fernsehen oft unterirdisch ist, ist bekannt, aber außerirdisch? So ganz trifft das auf "Ein UFO wurde ferngesehen" nicht zu, denn erst am Schluss wird klar, dass die Protagonisten der Privat-TV-Landschaft von der Erde stammen, während die recht irdisch anmutenden und reichlich arglosen Figuren im Stück, die von der B-Prominenz heimgesucht werden, die Außerirdischen sind.

Die ausgelassene Schar von rund 30 Darstellern macht das Naturtheater-Mitternachts-Special zum Vergnügen / Foto: Pacher

Die ausgelassene Schar von rund 30 Darstellern macht das Naturtheater-Mitternachts-Special zum Vergnügen / Foto: Pacher

Was der Export zynischer Unterhaltungsformate von der Erde auf fremden Planeten anrichten kann, zeigt das Musical. Dass das UFO mit den TV-Machern überhaupt auf dem technisch recht rückständigen Planeten landet, hat mit den Blähungen einer Pfadfindergruppe zu tun. Und mit Blähungen, wenn auch anderer Art, kennen sich die Fernsehschaffenden schließlich aus. Ob nun Dieter Pohlen, Zindy aus Tarzan, Heidrun Klumm, Katharina Stahlschrank, Peter Zwieback, Prus Darnell, Betine Wittler, Tim Schmelzer oder Dr. Boob – sie schaffen es, dass die Gesellschaft, in die sie hineinplatzen, sich kollektiv zum Deppen macht.

 

Drei Blondinen, die rollenbedingt anfangs eher durch schrille Töne und Grammatikschwächen als durch Grips auffallen, weiten das Ganze kommentierend zum epischen Theater, das von der Verführbarkeit durch die bunte Fernsehwelt handelt. Früher, so stellen die Blondinen fest, als es noch keine Smartphones gab, haben sich die Leute noch ganz normal unterhalten – "mit den Zähnen". Plötzlich will jeder Geld gewinnen, singend Superstar werden oder im Dschungelcamp Kakerlaken mampfen. Die Kinder, denen Supernanny Katharina Stahlschrank düsteren Blicks mit der "stillen Ecke" droht, riechen den Braten und schmieden ein Komplott, während sich ihre Erziehungsberechtigten in hirnlose Zombies verwandeln.

 

Musik der 1980er-Jahre, darunter der Gitte-Haenning-Song "Lampenfieber" oder eine auf Pflanzen umgemünzte Version des Nino-de-Angelo-Hits "Jenseits von Eden" ("Jenseits von Beeten") sind – leidenschaftlich gesungen – gut in die Handlung eingebunden, die reichlich Realsatire bietet. Für eine der Figuren, ausgerechnet die von Regisseur und Autor Diener, sieht das bunt-schräge Spiel kein Happy End vor.

 

So mancher Dialog ist wahrlich zum Prusten, das Stück insgesamt eine Wucht, zumal die Parodien – auch bedingt durch die Maske – ihren realen Vorbildern erstaunlich nahekommen. Ein herrliches Vergnügen! (GEA)




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