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23.06.2014 - Reutlinger Nachrichten

Wow! Dieses Käthchen steckt mit seinem feurigen Temperament beinahe den Wasenwald in Brand. Mit "Kiss me, Kate" hat das Naturtheater-Ensemble bei der Premiere die Herzen der Zuschauer im Sturm erobert.

 

Widerspenstig im Wasenwald

Lara Diel

Küss mich endlich, Käthchen: Petrucchio (Sascha Diener) wirbt schwungvoll um die Gunst der ganz und gar nicht heiratswilligen Katharina (Carolin Olbricht) / Foto: Lara Diel

Küss mich endlich, Käthchen: Petrucchio (Sascha Diener) wirbt schwungvoll um die Gunst der ganz und gar nicht heiratswilligen Katharina (Carolin Olbricht) / Foto: Lara Diel

"Schlag nach bei Shakespeare": Das Naturtheater hats getan - und der stürmische Applaus am Ende eines kurzweiligen Premierenabends beweist, dass es damit bestens gefahren ist. Und das, obwohl die Wahl des Musical-Klassikers "Kiss me, Kate", 1948 am Broadway ur- und seither unzählige Male von mehr oder minder professionellen Ensembles rund um den gesamten Globus aufgeführt, doch manches Risiko birgt.

 

Da sind die Songs, die für das deutsche Ohr des 21. Jahrhunderts bisweilen etwas gewöhnungsbedürftig klingen, da ist vor allem aber auch die Doppelbelastung, die das "Stück im Stück" den Darstellern auferlegt. Doch dank Regisseurin Susanne Heydenreichs belebender Inszenierung und ihrer unglaublich spielfreudigen Truppe gelingt es nahezu perfekt, den Zuschauern auf der am Premierenabend so gut wie ausverkauften Wasenwald-Tribüne, ein temporeiches, temperamentvolles und turbulentes "Two-in-One"-Menü zu servieren, nämlich Shakespeares "Der Widerspenstigen Zähmung", eingebettet ins Leben und Lieben einer amerikanischen Musicaltruppe.

 

Letztere steht in "Kiss me, Kate" direkt vor der Premiere des Shakespeare-Stücks - und dank der Tatsache, dass die beiden Hauptdarsteller einst miteinander verheiratet waren, auch rasch am Rande des Nervenzusammenbruchs. Ein versehentlich in der falschen Garderobe abgegebener Blumenstrauß wirkt sich zunächst auf das Verhältnis der einstigen Eheleute und schließlich auch auf das Geschehen im Shakespeare-Stück aus, in dessen Mittelpunkt die höchst erwünschte Vermählung der ganz und gar nicht heiratswilligen Katharina mit dem verarmten Edelmann Petrucchio steht, den wiederum zunächst vor allem die erkleckliche Mitgift reizt.

 

Die Zwischenbilanz eines Zuschauers in der Pause, die aus dieser Situation resultierenden Streitereien seien ja genau wie im richtigen Leben, kann zwar weniger als Kompliment für seine Begleiterin, umso mehr aber für die Darsteller gewertet werden.

 

Allen voran Carolin Olbricht in der Doppelrolle als Lilli Vanessi und Katharina, die die Königin der Zicken im ersten Akt derart überzeugend gibt, dass sich keine Zuschauerin freiwillig mit ihr identifizieren würde. Da fliegen die Fetzen auf der Bühne und Gegenstände aus den Fenstern, da knallen die Türen im Backstage-Bereich, da spritzt das verbale Gift nur so von der spitzen Zunge.

 

Dass sie ihren Ex ja insgeheim doch noch ziemlich gern hat, bringt sie trotzdem überzeugend rüber. Doch auch am Ende kann von "der Widerspenstigen Lähmung" keine Rede sein. Ihr geläutertes Käthchen setzt sie mit der richtigen Dosis subtiler Ironie in Szene. Sascha Diener meistert die Herausforderung souverän, sich weder als Fred, noch als Petrucchio von der Partnerin an die Wand spielen zu lassen.

 

Ob mit Peitsche oder mit der Hilfe zweier Kleinganoven, der doppelte Verehrer kriegt die zweifache Zicke immer wieder listig in den Griff, ohne seinen Charme und seinen Witz einzubüßen. Aber nicht nur, was Spielfreude und Überzeugungskraft angeht, auch gesanglich und tänzerisch harmonieren die beiden Hauptdarsteller gut miteinander, etwa, wenn es darum geht, "Wunderbar, wunderbar" die schönsten Momente ihrer Ehe wiederaufleben zu lassen.

 

Aber das Naturtheater wäre nicht das Naturtheater, würde es nicht aus seinem Erwachsenen-Stück auch diesmal wieder ein Gesamtkunstwerk machen, zu dem viele Mitwirkende mit großem Engagement ihren Teil beitragen. Zu sehen etwa bei "Viel zu heiß", gesungen und getanzt von einem ansteckend gut gelaunten Ensemble, dass es dem einen oder anderen unter seiner Fleece-Decke fröstelnden Wasenwald-Pilger doch gleich deutlich wärmer werden lässt - jedenfalls ums Herz.

 

Und auch die beiden Kleinganoven (Samuel Schickler, Ulrich Heck), die eigentlich ins Theater gekommen sind, um bei Fred einen gefälschten Schuldschein einzulösen, haben ihren großen Auftritt - "Schlag nach bei Shakespeare" in der Maxi-Version.

 

Am Ende sind sich die Zuschauer einig: Wenn das Naturtheater auch in diesem Jahr wieder einen neuen Zuschauerrekord für seine "Wasenwald-Festspiele" vermelden dürfte, dann hätten sich das alle - ehrenamtlich - Mitwirkenden redlich verdient. Eine echte Alternative zum WM-Fußballabend ist der Ausflug in den Wasenwald allemal: "Public Viewing ohne Leinwand, dafür aber live und vom Feinsten", wie es die Erste Bürgermeisterin Ulrike Hotz zur Eröffnung der diesjährigen "Wasenwald-Festspiele" formulierte.




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