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23.06.2014 - Reutlinger General-Anzeiger

Bühne - Reutlinger Naturtheater-Ensemble lässt in Cole Porters Musical »Kiss me, Kate« die Fetzen fliegen


Ein stacheliges Liebespaar

Von Christoph B. Ströhle

Erst haben sie sich in den Haaren, aber dann kommt doch noch der erlösende Kuss: Sascha Diener und Carolin Olbricht als Fred Graham und Lilli Vanessi / Foto: Niethammer

Erst haben sie sich in den Haaren, aber dann kommt doch noch der erlösende Kuss: Sascha Diener und Carolin Olbricht als Fred Graham und Lilli Vanessi / Foto: Niethammer

Showbusiness und Gangstermilieu, Liebeswirren, Ironie und ein bittersüßes Happy End: Das ist der Stoff, aus dem in Cole Porters turbulentem Musical der 1940er-Jahre »Kiss me, Kate« die Träume sind. Das gemeinsam mit Samuel und Bella Spewack (Buch) ersonnene Stück war nach dem Zweiten Weltkrieg am Broadway ein fulminanter Erfolg und soll bei den diesjährigen Wasenwald-Festspielen in sechzehn Vorstellungen für volle Zuschauerränge sorgen.

Das Potenzial dazu hat Susanne Heydenreichs Inszenierung – die zehnte, die die Intendantin des Stuttgarter Theaters der Altstadt mit der Truppe des Reutlinger Naturtheaters auf die Beine gestellt hat. Schwung, Spielwitz und überzeugende Darstellerleistungen haben bei der Premiere am Freitag wahre Begeisterungsstürme ausgelöst.

 

Romantik und Wortwitz

Romantische Gemüter kommen auf ihre Kosten, ebenso Freunde des geschliffenen Worts und Liebhaber überdrehter Späße. Wie zu erwarten, haben Carolin Olbricht und Sascha Diener als stacheliges Liebespaar Lilli Vanessi und Fred Graham die – auch sängerisch – intensivsten Momente. Ob nach Lillis temperamentvollem Solo »Kampf dem Mann« in der Rolle der Katharina, Freds gefühlvoller Reprise von »So verrückt nach dir« oder dem famosen Walzerduett »Wunderbar«, stets brandet Szenenapplaus auf.

Das Publikum bedenkt auch die Gesangseinlagen der übrigen Darsteller mit kräftigem Beifall. Besonderen Eindruck hinterlassen Julia Coolens im Song »Aber treu bin ich nur dir, Schatz, auf meine Weise«, Jan Bayer und das Ensemble mit dem Lied »Bianca« und Pascal Muckenfuß als Garderobier, der sich zum Song »Es ist viel zu heiß« mit weiteren Ensemblemitgliedern so mancher Textilien entledigt – und das bei Temperaturen um lediglich 13 Grad!

Mit Paulchen Panthers leicht abgewandeltem Spruch »Heute ist nicht alle Tage, wir kommen wieder, keine Frage« verabschieden sich Samuel Schickler und Ulrich Heck als Gangsterpaar bei ihrem ersten Auftritt. Sie halten Wort und lassen mit der bewusst hölzern choreografierten und gesanglich mitreißenden Nummer »Schlag nach bei Shakespeare« einen von Cole Porters größten Ohrwürmern vom Stapel. Ein Lob an dieser Stelle an Alexander Reuter, der die Songs mit den Wasenwald-Akteuren so grandios einstudiert hat.

Carmen Lamparter findet für die Ensemblenummern, darunter »Premierenfieber« mit einer stimmlich präsenten Angela Sauter und Stücke mit Renaissance-Anmutung, stimmige Schrittfolgen und Choreografien. Das von Jolanta Slowik entworfene Bühnenbild und die von Sibylle Schulze konzipierten Kostüme tun ein Übriges, um die Illusion vom Theater im Theater auf der Waldbühne perfekt zu machen.


Aus der Rolle fallende Akteure

Umso stärker ist dabei der Effekt, wenn die Akteure plötzlich aus der Rolle fallen und sich die Liebeskapriolen aus William Shakespeares »Der Widerspenstigen Zähmung« mit denen der Theatergruppe überlagern, die mit der Aufführung des Klassikers in Baltimore reüssieren will.

Mal ist es eine Tür, die zwei Liebende trennt und doch ganz nah beieinander sein lässt, mal ein Blumenstrauß, der, zur Unzeit an die falsche Frau ausgeliefert, dafür sorgt, dass die Fetzen fliegen. Trotz des etwas arg zurechtgebogenen Endes scheint das Stück zu bestätigen, was Loriot einmal mit den Worten »Männer und Frauen passen einfach nicht zusammen« umschrieb. Wer aber, so lässt sich nach »Kiss me, Kate« fragen, wollte den Unterhaltungswert ihrer Sisyphosbemühungen, es doch miteinander zu versuchen, missen? (GEA)




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