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16.06.2011 - Reutlinger Nachrichten

Schräges Rössl

Das Reutlinger Naturtheater vergnügt sich heuer am Wolfgangsee, und zwar "Im Weißen Rössl", wo gesungen, getanzt und geflirtet wird. Zudem zaubert sich "Die kleine Hexe" in die Herzen junger Zuschauer.

 

"Im Weißen Rössl" ist die Hölle los: Kellner Leopold hat aber nicht nur die vielen Gäste im Blick, sondern auch ein Auge auf seine Chefin geworfen. Diese wiederum schmachtet den Rechtsanwalt Dr. Siedler an, der sich seinerseits für Ottilie interessiert. Vollends Chaos bricht aus, als sich auch noch Kaiser Franz Joseph II. ankündigt.

 

Als "verstaubten Kitsch" bezeichnet selbst Regisseurin Susanne Heydenreich die traditionelle Rössl-Fassung des musikalischen Lustspiels, an der sich schon die bekanntesten Schauspieler wie Peter Alexander, Christiane Hörbiger oder Johannes Heesters ausgetobt haben.

 

"Die Lieder kennt man", "jeder weiß, was kommt", das könne man daher auch "nicht besser reden". Das Naturtheater (NTR) hat sich deshalb für die etwas modernere und schräge Fassung der Berliner "Bar jeder Vernunft" entschieden. Susanne Heydenreich, die künstlerische Leiterin der Wasenwald-Festspiele, hält zudem wie immer ein paar Überraschungen parat: Sie hat den alten Text "entstaubt", "anachronistisch durchsetzt" und mit aktuellen (politischen) Bezügen versehen. Außerdem hat sie Szenen neu dazugeschrieben und die Figur des Operetten-Komponisten Ralph Benatzky hineinmontiert. Der wiederum wird in der Wasenwald-Fassung von seiner Reisegruppe schlicht vergessen, tut sich deshalb das lustige Treiben im Hotel noch eine Weile an und schreibt am Ende den ganzen Wahnsinn einfach auf.

 

Susanne Heydenreich findet es mutig, dass sich das Naturtheater an so einen "Klops" wagt, der als Operette vor allem eine musikalische Herausforderung darstellt. Aber hier bewährt sich, dass das Ensemble nun schon längere Zeit gut aufeinander eingespielt ist und mit Alexander Reuter einen musikalischen Leiter hat, der die Amateur-Sänger mittlerweile gut geschult und ausgebildet hat. Und der sich auch bei komplizierteren Musikstücken beileibe nicht mit Einstimmigkeit zufrieden gibt: Trotz Vierstimmigkeit werde "das Ding musikalisch stabil", verspricht er, auch wenn die Schauspieler nebenher noch tanzen und vor allem spielen müssen. Und hier verlangt Heydenreich vor allem "Wahrhaftigkeit" statt albernen Pointenzwangs. Was sie bei all dem Probenstress (mit über 100 Terminen) "erwärmt", sei das "Vertrauen, das man mir hier entgegenbringt".

 

Trude Heck hat wieder mit Lucia Tunas die Kostüme entworfen und geschneidert. Trotz der von der Regie vorgegebenen dirndlfreien Zone gibts vielleicht doch den ein oder anderen folkloristischen Verschnitt, nicht zuletzt bei Kaiser Franz Joseph, der sogar von einem richtigen Stargast gespielt wird: Rolf Wenhardt. Der Präsident des Landesverbandes der Amateurtheater wollte schon immer mal den Kaiser im Weißen Rössl spielen: voilá. Das Bühnenbild mit postkartenidyllischem Wolfgangsee, Rössl und origineller Watzmann-Rutsche hat Jolanta Slowik entworfen.

 

Und wenn man die neue Naturtheater-Drehbühne dreht, dann wird aus dem "Weißen Rössl" das Hexenhaus fürs Kinderstück "Die kleine Hexe" nach Otfried Preußler. Und aus dem Watzmann wird der Brocken, wo mit vielen Knalleffekten Walpurgisnacht gefeiert wird.

 

Aber bis es so weit ist, muss die kleine Hexe noch lauter Prüfungen bestehen, die sie allesamt versemmelt, weil sie partout keine böse Hexe sein kann. Regisseur Ambrogio Vinella hat gemeinsam mit Alexander Reuter wieder zehn eigene Songs kreiert und auf CD aufgenommen. Auch im Kinderstück ist das Ensemble mit viel Eifer dabei und singt, spielt und tanzt in insgesamt 66 phantasievollen Kostümen.

 

Die mittlerweile schon traditionelle dritte Naturtheater-Produktion ist das "Mitternachts-Special" von Sascha Diener, der seine Truppe dieses Mal in die durchgeknallte "Wasenwald-Klinik" schickt, wo aber - versprochen - keiner ernsthaft zu Schaden kommen wird.

 

Des weiteren stehen bei den Wasenwald-Festspielen mit dem 1. Interkulturellen Tanzfestival, einer Oldienacht, der Musical Night und dem Schwäbischen Frühschoppen wieder einige Gast-Veranstaltungen auf dem Programm.




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