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Einlauf ist unsere Leidenschaft

22.08.2011 - Reutlinger Nachrichten



22.08.2011 - Reutlinger Nachrichten

"Wasenwaldklinik - Leidenschaft, die Leiden schafft": das Mitternachts-Special als respektlose und überdrehte Musikrevue zum Alltag in Krankenhäusern. Mehr als 1000 Besucher amüsierten sich prächtig


Einlauf ist unsere Leidenschaft

In der Wasenwald-Klinik herrscht das blanke Chaos: Kassenpatienten fallen durchs Operations-Raster, die Notaufnahme ist ständig überlastet und die Besenkammer, in die Dr. Schiwago (Marc Weinmann) diverse Krankenschwestern abschleppt, sowieso.

 

Dieses Mal konzentrieren sich die Betrachtungen des Naturtheater-Schauspielers und Texters Sascha Diener auf das aufwühlende Leben in einem der "Schwarzwaldklinik" angelehnten Krankenhaus, auf neurotische Patienten, überarbeitete Ärzte und auf die menschlichsten aller menschlichen Schwächen überhaupt. Seine Erkenntnis ist nicht neu und doch immer wieder zum Gruseln wie Schmunzeln: In manchen Krankenhäusern geht es anscheinend zu wie in einem Irrenhaus. Makabre Scherze wie "ein Bein konnten wir noch retten" oder "Dr. Dolittle kann heute nicht operieren, der steht wegen eines Kunstfehlers vor Gericht" wechseln sich in schneller Folge ab.

 

In losen Dialogen und Liedern skizzieren insgesamt über 30 Darsteller die Automatismen in Krankenhäusern. Dabei geht Sascha Dieners Musikrevue keiner Pointe aus dem Weg: Da kommt Frau Karnickel (Carolin Olbricht) jedes Jahr mit einer neuen Schwangerschaft in die Klinik, Chefarzt Dr. von und zu Guttenberg (Jan Bayer) singt mit seiner Lieblingsschwester vom Traum, "einmal vereint zu sein", und die Alzheimer-Patienten Frau Vergessenheit (Mara Jährig) und Herr Hirnle (Marco Honisch) reden ständig aneinander vorbei. Spritzen und Einläufe werden nach Lust und Laune verpasst, eine Patientin mit gebrochenen Beinen (Maren Schmook) läuft auf den Händen zur Toilette und wer eine Operation bei Dr. Stefan Frank (Sascha Diener) überlebt, darf sich einfach glücklich schätzen.

 

Das Tempo bleibt durchgehend hoch, die Frequenz der makabren Scherze steigt stetig. Auch darüber wird - es sei geschworen - Tränen gelacht. Das Mitternachts-Special ist ein amüsanter und bewusst überzeichneter Mix aus Boulevard-Komödie und Musikrevue. Es wird gestritten, geliebt und gelitten. Und damit das Ganze nicht zu klischeehaft und seicht daher kommt, wird noch ein schräges Element eingebaut.

 

Bei "Leidenschaft, die Leiden schafft" ist das der Gesang, der solo oder im Ensemble vorgetragen wird. Vor allem hier lässt Diener seinem Hang zu schwarz-trashigem Humor freie Bahn. Titel wie "Die Galle, die Galle, das ist die größte Schmerzensfalle" oder "Einlauf, Einlauf ist unsere Leidenschaft" werden in bester Musical-Manier gesungen und kommen wirklich witzig rüber. Die Schwierigkeit, Gesang, Theaterspiel sowie Tanz - und Akrobatikeinlagen in einen zusammenhängenden Handlungsstrang umzusetzen, meistern die zahlreichen Darsteller mit Bravour. Umso beeindruckender, da das Stück neben den Hauptinszenierungen in nur sechs Wochen und 26 Proben einstudiert werden musste.

 

Vielleicht sind manche Scherze etwas zu plakativ, vielleicht hätte man die zum Teil totgerittenen Gags und Blödeleien noch etwas ausdünnen können. Macht aber nichts, denn letztendlich hat das Mitternachts-Special wieder großen Spaß gemacht. Und das Feuerfontänen-umtoste Finale mit Patrick Hernandez "Born to be Alive" sorgte für stürmischen Applaus.




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