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Mediziner auf breiter Front im Vormarsch gegen Seuchen und Blessuren: eine fetzige Tanz-Choreografie aus dem Special

Mediziner auf breiter Front im Vormarsch gegen Seuchen und Blessuren: eine fetzige Tanz-Choreografie aus dem Special "Leidenschaft, die Leiden schafft"

22.08.2011 - Reutlinger General-Anzeiger

Naturtheater - Die Wasenwald-Truppe zieht in Sascha Dieners Mitternachts-Special die Medizin durch den Kakao


Ärzte außer Kontrolle

VON ARMIN KNAUER

 

Kurz vor Saison-Ende hat das Naturtheater am Samstag einen grandiosen Bühnen-Marathon hingelegt. Nachmittags zauberte sich ein letztes Mal die »Kleine Hexe« in die Herzen der Kinder. Abends brach die resolute Rössl-Wirtin ein vorletztes Mal das Herz von Kellner Leopold. Nachts setzten die Wasenwäldler mit ihrem Mitternachts-Special nach Herzenslust noch eins drauf.

 

Wie die Truppe es schafft, neben dem laufenden Betrieb noch eine aufwendige Mitternachtsproduktion zu stemmen, ist ein Rätsel. Von Nachtschichten bis vier Uhr morgens ist die Rede. Die jeweils nur eine Aufführung hat inzwischen Kultstatus, die Plätze sind schnell weg. Viele Besucher zogen sich auch das »Double« rein: »Rössl« plus Mitternachts-Special - darunter auch viele Abordnungen befreundeter Freilichtbühnen.

 

Mit seinem neuen Streich fällt Texter und Regisseur Sascha Diener über die Krankenhaus-Szene her. Nach dem Motto »Leidenschaft, die Leiden schafft« wird die Bühne zur »Wasenwald-Klinik«. Hier heißen alle Schwestern Stefanie und der Tag beginnt mit einer Kaffeeschlacht. Das Ärzte-Team ist Chaos pur, dafür lässt es sich am OP-Tisch von Cheerleader-Girls anfeuern. An der Rezeption schmettert Frau Grüchtküch (Sophie Först) jeden Zutrittsversuch ab. Wer trotzdem reinkommt, wird von Notaufnahmenleiterin Dr. Sommer (Claudia Sieger) chemisch bekeult - oder von Oberschwester Hildegardt (Sina Diener) als Wrestling-Lokomotive platt gewalzt.

 

Liebesspiel im Pflegebett

Wer hier überleben will, muss mit allen Wassern gewaschen sein. So wie Profi-Gebärerin Frau Karnickel (Carolin Olbricht) oder Nierenstein-Brutkasten Frau Steinbruch (Julia Coolens). Vor Amors Pfeilen schützt indes auch das nicht. Und so schmachtet Schwester Stephany (Melanie Hageloch) Dr. Guttenberg an, der seinerseits Frau Karnickel verfällt, die ihrerseits mit Doktor Schiwago (Marc Weinmann) ins Pflegebett hüpft. Worauf Dr. Sommer (Claudia Sieger) den Bettel hinschmeißt und Putzfrau wird.

 

Für die Kombi-Gucker ergibt sich der Nachteil, dass Susanne Heydenreichs »Rössl«-Inszenierung auch schon kräftig auf die parodistische Tube drückt. Vom »Rössl« setzt sich das Mitternachts-Special jedoch ab, indem es gekonnt Video-Szenen mit einbezieht und rockige Tanz-Szenen bringt. Statt Walzertakt gibt's Discobeats und Musical-Sound. Zudem verschärfen Diener & Co. die Sache in Richtung trashigen Klamauk. Teilweise werden Running Gags aber auch überstrapaziert und damit eintönig. Auch ist mancher Gag nur derb und nicht lustig, etwa wenn die Ärzte-Meute den furchtsamen Knie-Patienten Billie piesackt.

 

Vieles ist aber auf seine derbe Art recht witzig. Das Lob des Einlaufs etwa, das als Pop-Hymne samt Hollywood-Showtanz zelebriert wird - dazu traktiert dann auf der Videoleinwand eine Hausfrau ihren verstopften Abfluss: Lecker! Herrlich auch, wie der junge Dr. Schiwago (Marc Weinmann) zu Rotlicht und Kuschelrock die Schwestern bezirzt.

 

Überhaupt sind die Figuren sehr plastisch: Jan Bayer als schnöseliger Chefarzt Dr. Guttenberg, der das Fieberthermometer mit dem Kuli verwechselt; Marc Weinmann als Charme-Turbo Schiwago; Claudia Sieger als überstrapazierte Notaufnahmen-Ärztin; Timon Streicher als smarter Dr. Carglas; Jacob Sulz als Urwaldarzt Bob; und Sascha Diener selbst als korrupter Dr. Stefan-Frank. Und Sophie Först gibt mit viel Schneid den biestigen Rezeptions-Drachen.

 

Tolle Tanz-Choreografien

Auf Patientenseite sorgt Frau Karnickel (Carolin Olbricht) für Lacher, wenn sie unbeirrt vom Chaos ihre Schwangerschaftsgymnastik betreibt. Gut getroffen auch das von Marco Honisch und Mara Jährig gespielte Alzheimer-Pärchen.

 

Super sind die Tanz-Choreografien, die Carmen Lamparter mit den Akteuren erarbeitet hat. Samuel Schickler und Johannes Blattner legen als Patient und Krankengymnast eine unglaublich rasante Breakdance-Nummer hin. Und Maren Schmook macht mit Johannes Blattner aus einer Physiotherapiestunde eine zirkusreife Artistik-Vorführung. Auch die Songs sind toll gesungen: von der Beatles-Parodie zu »Help« bis zu Disco-Brüllern wie »I've Got The Power« oder »Born To Be Alive«. Respekt!




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