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29.06.2009 - Reutlinger General-Anzeiger

Schauspiel - Gelungene Premiere von "Alice im Wunderland" im Kinderprogramm des Naturtheaters


Theater voller Fantasie und Witz

Von Sonja Lenz

 

Eine flotte Inszenierung von "Alice im Wunderland" bot am Freitagabend das Jugendensemble des Naturtheaters unter Regie von Paul Siemt. Mit wundervollen Kostümen (Lucia Tunas, Trude Heck), vielen Liedern (musikalische Einrichtung Alexander Reuter) und einigen Tänzen erzählten die Darsteller im pfiffig-funktionellen Bühnenbild von Monika Schuh-Wibmer Episoden frei nach Lewis Carolls Erfolgsbuch.

 

Dabei trafen die jungen und älteren Schauspieler gut den Charakter ihrer Rollen, allen voran gefiel Mara Jährig mit ihrer Natürlichkeit als Alice. Doch auch die überzeichneten Rollen wie die hysterische Königin, die andauernd "Kopf ab" fordert, oder die grell lachende Grinsekatze werden glaubwürdig gespielt.

 

In der Textfassung von Jan Bodinus und bearbeitet von Regisseur Siemt erhält die 150 Jahre alte Geschichte ein modernes Sprachgewand mit allerlei Wortspielen. Ungeniert werden Klassiker verballhornt: Das gerät die vorwurfsvolle Klage des Juden aus Shakespeares "Der Kaufmann von Venedig" "wenn ihr uns stecht, bluten wir nicht?" zum Lamento der sprechenden Tür "wenn ihr uns kitzelt, lachen wir nicht?". Den Liedern liegen meistens bekannte Weisen zugrunde, deren Text ebenfalls verkehrt wird: Aus "Froh zu sein, bedarf es wenig" wird "Verrückt zu sein, bedarf es wenig und wer verrückt ist, ist ein König" - das Credo dieser Wunderwelt, in die Alice gerät.

 

Alice sucht ihre Katze

In der Inszenierung läuft sie dazu ihrer Katze hinterher, in einen Kaninchenbau hinein. Diese Wendung ersetzt Carolls Konstruktion, Alice einzig aus Neugier dem weißen Kaninchen mit der Taschenuhr folgen zu lassen. Auch gerät Alice im Theaterstück nicht in derart seelisch wie körperlich bedrängende Situationen wie im Buch. Sie spaziert eher als Zuschauerin durch eine merkwürdige Welt mit mal mehr oder weniger reizenden Gestalten, die Suche nach ihrer Katze als einzige Sorge.

 

Eingerahmt wird die Bühnenversion von einer sachten pädagogischen Lehre: Alice, die vor den erwachsenen Tee-Gästen ihrer Mutter nicht singen mag, gewinnt durch ihre Fantasiereise so viel Selbstbewusstsein, dass sie dann doch singt - aber sich gleichzeitig von ihrer Gouvernante emanzipiert. Sie singt nicht das ungeliebte "Am Brunnen vor dem Tore", sondern was ihr gefällt, das ist dann das Abschlusslied des Stücks: "Frag doch Alice".

 

Bietet das Theaterstück gegenüber dem Buch also weniger psychologischen Reichtum, ist es in der Reutlinger Aufführung dafür handlungsmäßig verdichtet, unterhaltsam durch Wortwitz, Musik und Tanz und bietet in rasantem Tempo ein Spektrum mild-kindlicher Revolte: Im Wunderland sagt man "häh" anstatt "wie bitte". Es werden die "Ungeburtstage" gefeiert, denn das sind 364 Feste im Jahr statt nur eine Geburtstagfeier. Genauso gibt es Geschenke zu "Nicht-Weihnacht", die aber nicht ausgepackt werden, sondern wiederverwendet, weil das sonst zu teuer wäre.

 

Mit dem Lied zur Szene hat das Naturtheater-Team einen Höhepunkt der Inszenierung geschaffen: Zu Melodie und Rhythmus von Queens "We will rock you" klopfen und singen Alice, Märzhase, Hutmacher und Schlafmaus "Fröhliche Nicht-Weihnacht", mit dem Tisch als Schlagzeugkörper. Das gab vor dem großen Abschlussbeifall spontanen Szenenapplaus.




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