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Paul Siemt hat

Paul Siemt hat "Alice im Wunderland" inszeniert - das Kinderstück des Reutlinger Naturtheaters läuft bis 15. August / Foto: Kipp

29.06.2009 - Reutlinger Nachrichten

Das Naturtheater Reutlingen zeigt "Alice im Wunderland" als quirlig-buntes Traumspektakel

Ausflug in die verkehrte Welt

Von Kathrin Kipp

 

In einer "Welt aus Träumen und Ironie" ist alles möglich: Im Naturtheater Reutlingen hatte das Kindermärchen "Alice im Wunderland" Premiere. Regisseur Paul Siemt macht daraus ein quirlig-buntes Traumspektakel.

 

Alice soll vor der lieben Verwandtschaft "Am Brunnen vor dem Tore" singen und hat überhaupt keine Lust dazu. Also zieht sie sich mit ihrer Katze Dina in ein Eck zurück und fällt plötzlich in ein großes Loch: der Schacht nach Wunderland, wo seltsame Wesen herumschwirren und wo alle normalen Logik-, Sprach- und Regelsysteme außer Kraft gesetzt sind.

 

Lewis Carroll hat mit seinem Buch 1865 Literaturgeschichte geschrieben. Das Naturtheater spielt die Kindertheaterfassung von Jan Bodinus, in der unter der Regie von Paul Siemt Alice in einer Art theatralischem Road-Movie von Abenteuer zu Abenteuer traumwandelt.

 

Im Wasenwald begegnen ihr die merkwürdigsten Geschöpfe, denen Lucia Tunas bunte und phantasievolle Kostüme auf den Leib geschneidert hat. Monika Schuh-Wibmers Bühne zeigt einen stilisierten Wald, mit Hecken auf Rollen, einer Fliegenpilzecke und dem efeuumrankten Schloss der Kartenkönigin.

 

Dort wird vor dem prächtig gewandeten Hofstaat dem "Herzbuben" der Prozess gemacht, weil er eine Torte geklaut haben soll. Diese Farce wiederum wird interessiert beobachtet von einem Schweinerudel "Geschworener", die selbstverständlich nichts zu sagen haben. Wunderland ist auch in Paul Siemts kindgerechter Inszenierung eine total verkehrte Welt, in der die Uhren anders laufen als in Realland. Wo es gesittet und zugeschnürt zu geht und die Erwachsenen alle ein extrem affektiertes Verhalten an den Tag legen. Und so muss sich Alice erst einmal ihr gutes Benehmen abgewöhnen, darf niemanden "Siezen" und feiert jeden Tag "Ungeburtstag". Andererseits herrschen in Wunderland ganz eigene Gesetze. Man darf zum Beispiel nicht älter werden und auch nicht gegen die Königin im Cricket gewinnen, sonst heißt es: Kopf ab.

 

Das Kinderstück lebt hauptsächlich von den knalligen Typen, die vom jungen Ensemble spritzig gespielt werden. Wie alle Traumwesen fristen sie meist nur ein flüchtiges Dasein, weshalb Alice im Wunderland auch keine richtigen Freunde findet. Die meisten sind zwar sehr freundlich, aber eben auch mit ihren eigenen Problemwelten beschäftigt. Trotzdem sind sie immer aufgelegt zu einem Tänzchen oder Liedchen (Musik: Alexander Reuter). Und sie laufen auch gerne mal zu schmucken Gruppenbildern auf: Im Marschschritt etwa, wie die lebendigen Spielkarten, die eine lustige Pleiten-, Pech- und Pannentruppe abgeben. Oder die Blümchen auf der Wiese, die alle wunderschön aussehen, aber Alice trotzdem verjagen, nur, weil sie keine Blume ist. Und das, obwohl sie ihnen per Schrumpfung praktisch auf Augenhöhe begegnet: Mara Jährig spielt, tanzt und singt ihre Rolle enorm souverän und sehr selbstbewusst - wie Alice eben, die sich von niemandem einschüchtern lässt. Auch nicht von der goldenen Tür (Carina Weber), die nicht zu öffnen ist. Ihre Katze Dina (Anna Heck) ist wie alle Katzen: zuerst sehr anhänglich und dann auf Abwegen.

 

Deshalb muss Alice weinen, kann aber das Tränenmeer in einem Suppentopf überwinden. Das berühmte weiße Kaninchen wiederum ist bei ihren Abenteuern keine große Hilfe: Melanie Hageloch rast immer nur hin und her und hat Angst, dass sie zu spät kommt. Als die zwei äußerst sensiblen Dicken Humpty und Dumpty im goldenen Bilderrahmen sind Pascal Muckenfuß und Jan Schmidt ständig am Heulen, wenn sie nicht gerade als getrennte Pferdehälften für drollige Slapstick-Einlagen sorgen. Die schlaue Raupe (Manuela Hansow) spricht gerne in Stabreimen. Der Märzhase und Hutmacher (Carina Armbruster, Ana Zivkovic) bilden die durchgeknallte Teegesellschaft, und Angela Sauter spielt die hysterische Königin.




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