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"Oh, mein Zuckerschnäuzchen!" Mara Jährig und Marco Honisch als "Romea und Julius" beim Mitternachts-Special

17.08.2009 - Reutlinger General-Anzeiger

Naturtheater - Schräges Spektakel zur Mitternacht 

 

Romea und Julius

Von Armin Knauer

 

Es hat wohl schon so manchen Schauspieler und Regisseur gejuckt, einmal all das vom Stapel zu lassen, was man sich am Theater aus Gründen der Seriosität sonst tunlichst verkneift. Die albernsten Kalauer, die kitschigsten Posen, die abgedrehtesten Auftritte. Sascha Diener hat als Ideengeber und Regisseur des Mitternachts-Specials am Reutlinger Naturtheater einen Dreh gefunden, all das hemmungslos auf die Bühne zu bringen: Sein Stück "Das Theater steht Kopf" stellt eine Theaterprobe in den Mittelpunkt, in der alles schief geht.

 

Und so nahm am Samstagabend zu später Stunde das Desaster seinen Lauf, das dem amüsierten Publikum auf den gut bestückten Rängen nun wirklich fast gar nichts vorenthielt. Da gab es Nonnen, die aus Mülltonnen heraushüpften, einen Zauberer mit hohem Assistentinnen-Verschleiß, ein kindliches Liebespaar, das sich mit "Zuckerschnäuzchen" und "Pupsilein" anschmachtete, und schließlich, ja, auch das wurde einem nicht erspart, eine männliche Erotik-Truppe in Oma-Unterwäsche.

 

Eine selbstironische Theater-Persiflage nach dem "Nackte-Kanone"-Prinzip also. Die ihren Charme aus dem grandiosen Pep bezog, mit dem die teils jugendlichen Hauptdarsteller ihre Charaktere auf die Bühne brachten: Zum Quieken, wie Mara Jährig und Marco Honisch als "Romea und Julius" theatralischen Gefühlsüberschwang persiflierten. Zum Kichern, wie Samuel Schickler als Regisseur Stefan Schbielberg an seinen Mimen verzweifelte. Sina Diener: mit Punkertolle eine Bulldogge von Regieassistentin. Jan Schmidt: ein zerstreut-galanter Copperfield-Verschnitt.

 

Beschwörung magischer Mächte

Auch die Handlung verlässt zielstrebig den Pfad des guten Geschmacks: Romea und Julius, frisch verliebt, stellen fest, dass sie zum Heiraten zu jung sind. Also flehen sie einen Zauberer an, sie älter zu machen. Der beschwört die Mächte der frohen Gottheit, des schauderhaften Tanzes und der Erotik und am Ende gleiten Romea und Julius als gereiftes Tanzpaar (Tanja Schönwälder, Johannes Blattner) elegant übers Parkett.

 

Nach der zwerchfellerschütternd desaströsen Probe (Sascha Diener: "So ähnlich laufen bei uns die Proben immer ab!") lässt der zweite Teil dann die fertige Schmonzette vorüberziehen. Gelegenheit, unzählige Male die Zarathustra-Fanfare anzubringen. Gelegenheit für immer neue Effekt-Auftritte mit Theaternebel aus den Tiefen des Raums.

 

Gelegenheit aber auch für nunmehr rasant und gekonnt vorgetragene Sing- und Tanz-Szenen (Choreografie: Carmen Lamparter). Eine köstlich-freche Sister-Act-Parodie wäre da zu erwähnen. Zombie-Tanz zu Thriller-Musik. Und zwei Gesangsnummern mit Gänsehaut-Garantie: Angela Sautter mit einer gefühlvollen Pop-Ballade und Melanie Hageloch mit einem lasziven Nachtclub-Song.

 

Kurzum: ein Feuerwerk aus Tanz, Musik und Gags, so gekonnt vorgetragen wie schräg im Humor. Sascha Dieners verrückte Einfälle für das alljährliche Mitternachts-Special sind dabei, Kultcharakter zu bekommen.




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