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Großes Finale mit Feuerwerk: Mitternachts-Special im Wasenwald mit

Großes Finale mit Feuerwerk: Mitternachts-Special im Wasenwald mit "Das Theater steht Kopf"

17.08.2009 - Reutlinger Nachrichten

Das Mitternachts-Special im Naturtheater Reutlingen


Eleganz im Tanz

Von Kathrin Kipp

 

Das Reutlinger Naturtheater beschwor beim jährlichen Mitternachts-Special die Macht der Liebe. Die Revue "Das Theater steht Kopf" von Sascha Diener bot jede Menge Klamauk, Musik, Tanz und Magie.

 

Mit diesem Stück dürfen die Zuschauer mal hinter die Kulissen des Naturtheaters blicken. Und zwar auf den harten Knochenjob nervenaufreibender Proben, die hinter der perfekten Illusion stehen. Kreativ-Allrounder Sascha Diener muss es wissen: Er steht im Wasenwald nicht nur seit Jahren schon als Romeo oder Horrorbotanikbezwinger auf der Bühne, sondern hat auch jetzt wieder das Mitternachtsmusical inszeniert.

 

Mit "Das Theater steht Kopf" sei es ihm "absoluter Ernst", betont er anfangs. Man müsse nur "das Gehirn ausschalten". Hirn aus und alle Sinne auf Stand-by heißt also die Devise für das Theater-im-Theater-Stück, das in zwei Durchläufen Anspruch und Wirklichkeit einer perfekten Show durchexerziert.

 

Wie? Der narzisstische wie jähzornige Star-Regisseur "Stefan Schbielberg" ist völlig mit den Nerven runter: Am nächsten Tag ist Premiere, aber die dilettantische Schauspieltruppe hat sein geniales Meisterwerk total verhunzt. Da kann seine resolute Assistentinnen-Megäre noch so wild mit dem Skript herumfuchteln, es hilft alles nichts: Die Sänger singen wie zersägte Gurken, die Tänzer tanzen Sondermüll und der Zauberer ist ein beschränkter Top-Blender, der seine Jungfrauen so gründlich zersägt, dass jedes Mal ein neues Modell aus dem Publikum rekrutiert werden muss.

 

Dabei hat Schbielberg eine Wahnsinnsstory am Start: Romea "Zuckerschnäuzelchen" und Julius "Pupsi" begegnen sich, und es macht Rums. Sie sprechen in Versen, sülzen sich voll und sind reif für einen echten Sommernachtstraum - wären sie nicht viel zu jung für eine Hochzeit.

 

Verzweifelt suchen sie den großen Magier auf, um sich das notwenige Mindestalter herbeizuhexen. Der Zauberer beschwört daraufhin eingehend die "Macht der Liebe". Die setzt sich in Schbielbergs eigenwilliger Komposition aus mehreren Machtkomponenten zusammen. Die "Macht der frohen Gottheit" wird durch eine Schar lebenslustiger Nonnen repräsentiert, denen das Zölibat schwer zusetzt und die gerne mal das Can-Can-Bein schwingen, um die Menschen zu beglücken. Die "Macht des schauderhaften Tanzes" wiederum jagt der Menschheit mit ihrer düsteren Techno-Nebel-Robotnik-Choreographie einen eiskalten Schauer über den Rücken, der von der "Macht der Sinnlichkeit" wiederum mächtig angeheizt wird: Beim saftigen "Big Spender"-Hausmänner-Strip sollte es eigentlich mächtig knistern - allein, bei der Generalprobe knistert gar nichts: Die Jungs in ihren Plusterunterhosen sind der absolute Erotik-Totalausfall.

 

Regisseur Sascha Diener und Choreographin Carmen Lamparter zeigen ihre "Power Of Love"-"Generalprobe" jedenfalls mit viel hysterischem Horror-Klamauk, mörderischem Slapstick und profilneurotischem Overacting, mit dem hemmungslos von Schusswaffen und Motorsägen Gebrauch gemacht wird, bis sogar ein Techniker aus allen Wolken fällt.

 

Schwäbische Songinterpretationen und besserwissende Stückanalysen der stümperhaften Rampensäue komplettieren das Desaster und treiben Schbielberg systematisch in den Wahnsinn. Aber wie es das eherne Gesetz der Bühnenkunst will: eine miese Generalprobe garantiert eine Top-Premiere. Und so zeigt das prächtig aufgelegte Ensemble im zweiten Durchlauf, was es wirklich drauf hat: Glanz und Gloria und Eleganz im Tanz. Dafür wird noch einmal tief in den glitzernden Kostümfundus und den Plattenschrank gegriffen, um mit "Big Spender", Jacques Offenbach und Celine Dions Bombastik-Heuler "Power Of Love" alle Stimmungs-Register zu ziehen. Feuerwerk, Nebel, fallende Türen und schwebende Jungfrauen geben dem schon längst hypnotisierten Publikum den Rest. Und tatsächlich: Die Macht der Liebe lässt Romea und Julius ziemlich alt aussehen und ein herzergreifendes Ballettfinale aufs Parkett legen. Magie pur. Das Publikum tobt.




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