Naturtheater Reutlingen Mark Gewand 3 72762 Reutlingen Wasenwaldfestspiele Wasenwald Festspiele Homepage Naturtheater Reutlingen Mark Gewand 3 72762 Reutlingen Wasenwaldfestspiele Wasenwald Festspiele Homepage


19.08.2009 - Reutlinger General-Anzeiger

Freilichtbühne - Gerhard Schmid bringt mit dem Naturtheater-Ensemble den "Jedermann" in Mundart heraus


Herzensprojekt im Dialekt

Von Armin Knauer

 

Eigentlich hätte das Ganze schon 2005 auf die Bühne sollen. Hugo von Hofmannsthals "Jedermann", die Geschichte vom reichen Mann, der im Angesicht des Todes begreift, dass ihm am Ende von seinem Mammon nichts bleibt. Aber nicht wie bei Hofmannsthal in gedrechseltem Hochdeutsch, sondern auf gut Schwäbisch.


Zweieinhalb Jahre hat Gerhard Schmid daran gefeilt, sein Lieblingsstück seiner "Muttersprache" einzuverleiben. 2005 war er fertig, aber die Realisierung zerschlug sich erst einmal. Jetzt boten die Heimattage den passenden Anlass, auf das Projekt zurückzukommen.

 

Ende August kommt der schwäbische "Jedermann" nun auf die Naturtheaterbühne im Wasenwald. Drei Aufführungen sind angesetzt, am 28., 29. und 30. August. Gerhard Schmid hat dafür nicht nur den Text erstellt, sondern auch die Regie übernommen und das Bühnenbild gefertigt. Er verspricht: Die schwäbische Version werde zweifellos mehr Komik bringen, auch wenn es im Grundsatz ein ernstes Stück bleibe. Und: Man werde den »Jedermann« viel leichter verstehen können. Denn Hofmannsthals Original mit seinen auf alt getrimmten gestelzten Sätzen sei ja zuweilen "fast wie eine Fremdsprache". Auf Schwäbisch klinge es einfach "hoimeliger".

 

"Auf Schwäbisch versteht man den Jedermann viel leichter, es klingt oifach hoimeliger"

 

Gerhard Schmid ist ein Naturtheater-Urgestein. Sein Alter sieht man dem braun gebrannten 79-Jährigen nicht an. Seit 1948 ist er am Naturtheater aktiv. In zig Inszenierungen hat er mitgespielt, 46 Bühnenbilder für die Waldbühne gefertigt. Sein Brotberuf als Chef-Plakatmaler beim Kaufhaus Horten verschaffte ihm die idealen handwerklichen Grundlagen. Er hat auch selbst Mundartstücke verfasst und ist später ins Regiefach gewechselt: Mit der Betzinger Sängerschaft hat er die Musicals "Showboat" und "My Fair Lady" inszeniert. Auch für diese Aufführungen in der Listhalle entwickelte er die Bühnenbilder selbst. Das Handwerk fürs Inszenieren habe er sich vom langjährigen Regisseur des Naturtheaters, Klaus Heydenreich, abgeschaut.

 

Seit seiner Zeit unter Heydenreich hat sich das Naturtheater gewandelt und Schmid findet das auch gut so. Neue Leute, neue Ideen, der Generationswechsel sei etwas Natürliches. "Wir haben ja damals, als wir als junge Leute dazugekommen sind, auch unseren eigenen Kopf gehabt." Ein Hauptunterschied zwischen damals und heute betrifft den Dialekt. "Früher waren wir ein Mundarttheater, das ist heute nicht mehr so." Ein Stück dieser Mundartkultur möchte er nun noch einmal aufleben lassen.

 

Die erste Hürde war schon mit der Auswahl der Schauspieler zu bewältigen. Die sollten unbedingt schwäbische "Muttersprachler" sein. "Wenn man einem Schauspieler das Schwäbische aufzwingt, klingt es ungeschickt." Längst nicht mehr alle am Naturtheater sind Urschwaben, aber Schmid fand noch genug für die Besetzung: Den Jedermann spielt Uwe Rittmann, den Tod Holger Schlosser, den Mammon Ingo Raiser, die Buhlschaft Julia Coolens die übrigens seine Enkelin ist. Familientradition also.

 

Seinen "Jedermann" hat Schmid in einem "mittleren Schwäbisch" angesiedelt. Es sollte weder das spitze Stuttgarter Honoratiorenschwäbisch sein noch das breite Älbler-Schwäbisch. Die größte Herausforderung sei gewesen, die passenden Wort-Entsprechungen zu finden, "sodass es Hofmannsthal bleibt und nicht Schiller wird". Es gebe, merkt Schmid an, im Übrigen auch Fassungen des Stücks in Bayerisch und Fränkisch aber das Schwäbische passt mit seinem kernigen Tonfall seiner Ansicht nach mit am besten zum "Jedermann".

 

Die zweite Hürde war, Probentermine zu finden. Das "Jedermann"-Ensemble rekrutiert sich aus dem normalen Naturtheater-Ensemble, die Einstudierung musste zwischen die übrigen Proben und Aufführungen eingeschoben werden. Eine enorme Zusatzbelastung für die Beteiligten, die aber mit Herzblut dabei sind. Seit Anfang Mai wird geübt, eine erste Durchlaufprobe stimmt Gerhard Schmid sehr optimistisch.

 

"Das war ein Herzenswunsch von mir. Dass das geklappt hat, darüber bin ich sehr glücklich"

 

Für den Anfang und den Schluss will er die Dauerkulisse mitbenutzen. Für die anderen Szenen hat er bewegliche Stellwände in Mauer-Optik ersonnen, um den Spielraum abzugrenzen. "Man kann den Jedermann nicht vor dem Wald spielen", betont Schmid. Die obligatorische lange Tafel gibt es im Wasenwald auch, "die gehört beim Jedermann eben dazu".

 

Die "Jedermann"-Aufführungen sieht Gerhard Schmid als Schlusspunkt seiner Bühnenkarriere. "Danach will ich die Bretter verlassen", kündigt er an, "und stark zurücktreten". Der Aufwand eines solchen Projekts hinterlässt eben doch Spuren. Aber im Fall des "Jedermann" hat Schmid den ganzen Stress noch einmal gern auf sich genommen: "Das war ein Herzenswunsch von mir. Dass das nun doch noch geklappt hat, darüber bin ich sehr, sehr glücklich."




© 1999-2024 ITOGETHER