Naturtheater Reutlingen Mark Gewand 3 72762 Reutlingen Wasenwaldfestspiele Wasenwald Festspiele Homepage Naturtheater Reutlingen Mark Gewand 3 72762 Reutlingen Wasenwaldfestspiele Wasenwald Festspiele Homepage


Eine gefräßige Monsterpflanze als natürlicher Mittelpunkt der Naturtheaterproduktion

Eine gefräßige Monsterpflanze als natürlicher Mittelpunkt der Naturtheaterproduktion "Der kleine Horrorladen" / Bild: Haas

22.06.2009 - Schwäbisches Tagblatt, Tübingen

"Der kleine Horrorladen" kommt im Naturtheater ohne Happy End aus

Reutlinger hart im Nehmen

Von Thea Koss

 

Den meisten Musical-Freunden dürfte "Der kleine Horrorladen" von Frank Oz als Stück mit Happy-End in Erinnerung sein: Seymour Krelbourn (Sascha Diener) bekämpft seine Schöpfung, in der letzten Szene sitzt er mit seiner Geliebten Audrey vor dem Reihenhäuschen, während ein kleiner Ableger der Monsterpflanze zu sehen ist.

 

Doch der Reihe nach: Seymour, ein Waisenkind, wird vom Blumenladen-Inhaber Mr. Mushnick aus dem Heim geholt, dafür aber wie ein Knecht behandelt. Ungeschickt ist er dazu: "Mein Chef sagt mir, ich sei ein Idiot, und er hat Recht!" Heimlich liebt der schüchterne Gehilfe seine Kollegin Audrey (bezaubernd lispelnd Julia Coolens), die ihrerseits ein Verhältnis mit dem sadistischen Zahnarzt Orin Scrivello hat. Dem fehlt es im Gegensatz zu Seymour nicht an Selbstbewusstsein: "Ich bin einer der nettesten Typen, die ich kenne." Überzeugt ist er auch davon: "Die Weiber wollen, dass wir sie dressieren."

 

Dass er Audrey schwer misshandelt, ist längst kein Geheimnis mehr. Sie bleibt bei ihm, weil er Geld hat, weil sie arm ist und, so denkt sie, nichts Besseres verdient hat. Insgeheim schwärmt sie jedoch für Seymour, der in seiner Freizeit gerne Blumen züchtet. Eines Tages bekommt er von einem Chinesen nach einer plötzlichen Sonnenfinsternis ein besonderes, der Fachwelt unbekanntes Exemplar, das er liebevoll "Audrey II" nennt.

 

Menschenblut als Lebenselixier

Mushniks Blumenladen läuft derweil schlecht, der Besitzer will ihn schließen. Da kommt die Pflanze gerade recht. Im Schaufenster zieht sie das Publikum an, doch gedeihen will sie nicht so recht – bis Seymour durch Zufall herausfindet, was sie zum Leben braucht: menschliches Blut. Und so nimmt das Verhängnis seinen Lauf. Bald wächst die Pflanze und mit ihr ein enormer Hunger. "Gib´s mir!", fordert sie lüstern, und Seymour gibt nach. Aber jemanden umbringen kann er trotz bester Vorsätze nicht.

 

So trifft es sich gut, dass Zahnarzt Orin sich mit einer Überdosis selbst umbringt. Die Fütterung fördert das Wachstum der Monsterblume gewaltig, die nun auch mal bei der Kundschaft unbemerkt zuschnappt. Und die kommt nun in Scharen, um die außergewöhnliche Pflanze zu sehen. Mushnik, der um seinen Gehilfen bangt, macht ihn kurzerhand zum Sohn. Doch ausgerechnet er kommt Seymour auf die Spur und will zur Polizei. Das bekommt ihm schlecht, während Seymour nun alles erringt, wie Audrey II es ihm versprochen hat: Ruhm, Geld und die Liebe von Audrey. Doch das eine geht nicht ohne das andere, ohne "ein bisschen Mord und manche üble Schweinerei".

 

Audrey II steht derweil in voller Blüte, bereits gibt es Verträge über den Verkauf der Ableger. Da bleibt denn doch nur eines: Der Pflanze muss der Garaus gemacht werden, denn sie ist ja dabei, die Herrschaft über die Welt zu übernehmen.

 

Im Original klappt das, in Reutlingen nicht. Das Naturtheater hat sich mit seiner Version auf die ursprüngliche Fassung von Frank Oz besonnen, die beim Publikum durchfiel. Alles geht schlecht aus, und das Böse siegt und breitet sich weiter aus, über den ganzen Planeten, bis nach Reutlingen und – mit Knalleffekt, der hier nicht verraten werden soll – bis ins Naturtheater.

 

Den triumphalen Erfolg verdankt das Naturtheater der rasanten Inszenierung unter der Regie von Susanne Heydenreich, einer beeindruckenden Choreografie, einem überzeugenden Bühnenbild und tollen Kostümen. Von den Hockern rissen das Publikum aber vor allem die unglaublich professionellen Gesangs- und Tanzeinlagen (auch von "Audrey II" Carlos Vogt) und Sascha Diener, der als tollpatschiger Seymour tollkühn jeden Sturz auf sich nahm und keinen Einsatz scheute, sich das Kreuz zu brechen. "The audience hated us!", sagte Frank Oz und schrieb flugs ein Happy End. In Reutlingen ist man da weitaus härter im Nehmen. Das

Reutlinger Publikum liebte es!


Unterm Strich

Dass die Reutlinger "ihr" Naturtheater innig lieben, ist nichts Neues. Dass das Theater überzeugende Arbeit liefert, auch nicht. Aber eine Premiere mit solch frenetischem Beifall und Standing Ovations, eine geradezu ausflippende Zuschauerschaft gab es selten. "Der kleine Horrorladen" ist absolut empfehlenswert!




© 1999-2024 ITOGETHER