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Sascha Diener alias Seymour mit Fleischfresserin Audrey zwo, vornamensgleich mit der heimlich begehrten Platinblondine

Sascha Diener alias Seymour mit Fleischfresserin Audrey zwo, vornamensgleich mit der heimlich begehrten Platinblondine

04.08.2009 - Reutlinger General-Anzeiger

Leute - Sascha Diener glänzt im Naturtheater-Musical "Der kleine Horrorladen" als Sänger-Schauspieler-Tänzer-Akrobat


Ganz schön abgedrehte Nummer

Von Markus Pfisterer

 

Die Knie sehen aus wie bei Jungs im besten Sandkastenalter: Rostroter Schorf überwuchert die Kuppen, an den Händen wachsen Närbchen. Am Wochenende blutet Sascha Diener wieder. Als trotteliger Blumenverkäufer Seymour im Kult-Musical "Der kleine Horrorladen", das noch bis 22. August im Naturtheater läuft. Der Mann hinter dem Verkäufer verkauft Theater, Gesang, Tanz und Akrobatik. Alles zugleich, in zweieinhalb Stunden. "Meine bisher verrückteste Rolle."

 

"Endlich darf ich das Publikum mal bespaßen"

 

Und wohl gleichzeitig die anspruchsvollste, auch weil Diener nach Shakespeares tragischem Romeo oder dem ernsten Marius aus "Les Misérables" Neuland betritt: "Endlich darf ich das Publikum mal bespaßen." Wenn er wieder mal die Tür vor den Kopf gehämmert bekommt, mit der Fleisch fressenden und Geld und nur scheinbares Glück bringenden Pflanze Audrey zwei schäkert oder auf dem Bürostuhl die Rampe herunterbrettert und sich die Knie neu aufschlägt. Stuntman? Fehlanzeige, selbst ist der Mann. Zum Glück drückt das Aufführungs-Adrenalin das Brennen weg. Im Training gewann der "Mut zum Sturz" gegen den Bammel.

 

Zwischen den Szenen hastet Diener alias Seymour hinter die Bühne, wechselt fliegend zwischen schlappen 193 Requisiten hin und her, die von der Fielmannbrille seines Vaters über den Kehrwisch bis zum Cordanzug im Braun der Siebziger reichen, Seymours bestem Stück. "Ich bin auch ein Chaot«, sagt Sascha Diener, befragt nach seinen Gemeinsamkeiten mit der Hauptfigur. Der Mann hat Humor. Wann er welche Requisite grapschen muss, zeigt ihm eine selbst angefertigte, zig Seiten starke Excel-Tabelle. Systematisch hat er das ungewohnte Slapstick in Textbuch, Filmen und Internet gelernt, spickte auch beim "Horrorladen"-Übervater Rick Moranis herein und warnt doch davor, den großen Meister zu kopieren: "Besser als er kanns eh keiner. Man sollte den Mut zum eigenen Stil haben."

 

Gänzlich unchaotisch verlaufen auch die Tage des Ur-Reutlingers, der schon als Kind vom Schauspiel träumte und seit zwölf Jahren am Naturtheater ist, als Darsteller, Jugendgruppen-Regisseur oder künstlerischer Organisationsleiter. Bevor abends Highlife im Naturtheater oder im Musical "Linie 1" im Stuttgarter Theater der Altstadt angesagt ist, verdient der 31-Jährige Brötchen mit der Kultur: Er leitet in der Landeshauptstadt zwei Multiplex-Kinos. "Ich steuer meinen Terminkalender selber."

 

Zum Glück für alle Musical-Fans, denn vor der ersten Taumel-Vorstellung und den schmachtenden Blicken zur heimlich verehrten Platinblondine Audrey lagen acht Monate hartes Training und neun verschiedene Textfassungen. "Erst drei Tage vor der Premiere dachte ich jetzt haben wirs!"

 

"Eine knüppeldicke Belastung, die man nur mit Begeisterung packt"

 

Denn Regisseurin Susanne Heydenreich, Choreografin Carmen Lamparter und der musikalische Leiter Alexander Reuter setzten jeweils eigene Schwerpunkte und blendeten den Rest der Show einfach aus. "Zusammen kam alles bei mir." Drei Wochen vor der Premiere dann auch in den Proben. "Eine knüppeldicke Belastung, die man nur mit viel Energie und Begeisterung fürs Medium Theater meistern kann."

 

Keine vergebliche Müh, wie die Applausstürme in den bisherigen Aufführungen gezeigt haben. Sascha Diener, der sein nebenberufliches Handwerk bei Otto Seitz an der LAG Theaterpädagogik gelernt hat, geht in seiner ungelenken Rolle auf, brilliert trotz Vierfachkoordination und wollte doch nie Profi-Darsteller werden. "Wenn man damit sein Geld verdienen muss, vergeht einem der Spaß womöglich schnell." Sascha Diener hat ihn unverändert. Auch wenn die Knie mal wieder weh tun.




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