Naturtheater Reutlingen Mark Gewand 3 72762 Reutlingen Wasenwaldfestspiele Wasenwald Festspiele Homepage Naturtheater Reutlingen Mark Gewand 3 72762 Reutlingen Wasenwaldfestspiele Wasenwald Festspiele Homepage


03.07.2009 - Schwäbisches Tagblatt, Tübingen

Ein Krisen-Treff von Wirtschaft und Kommune im Reutlinger Naturtheater


Boschs kleiner Horrorladen

Von Matthias Stelzer

 

Im Reutlinger Naturtheater wird derzeit das Musical "Der kleine Horrorladen" gegeben. Das verbindet die Bühne mit dem Krisen-Alltag von OB Barbara Bosch. Beim Treff von Wirtschaft und Kommune wurden dann auch viele Minus-News ausgetauscht.

 

Die von der Stadtverwaltung Reutlingen, der Industrie- und Handelskammer (IHK) und der Handwerkskammer (HK) reihum ausgetragene Veranstaltungsserie "Wirtschaft trifft Kommune" ging am Mittwochabend in ihre siebte Runde. Gastgeberin im Naturtheater Reutlingen war diesmal Barbara Bosch.

 

Den Veranstaltungsort hatte die Oberbürgermeisterin zwar in erster Linie wegen seiner Eignung für einen lauen Sommerabend ausgesucht. In Anbetracht der momentan einbrechenden Firmenumsätze und der wegbrechenden Kommunalsteuern passte die Waldbühne aber auch noch aus einem anderen Grund. "Die Kulisse ist perfekt. Denn hier wird gerade Der kleine Horrorladen gespielt, was ja auch eine vortreffliche Beschreibung von dem wäre, was uns da gerade alle trifft", sagte Bosch und schilderte den gut 200 Teilnehmer(inne)n aus Wirtschaft, Gemeinderat und städtischen Ämtern nochmals die "dramatische Situation" der städtischen Finanzen. Aus Sicht der Reutlinger OB gibt es derzeit "keinen Spielraum für Steuersenkungen". Den anwesenden Wirtschaftvertretern rechnete Bosch vor, dass etwa ein Drittel der Steuerausfälle nicht auf die Krise, sondern auf die Unternehmenssteuerreform zurückzuführen sein.

 

Das Streichen hilft auf Dauer nicht

Um etwaige Begehrlichkeiten in dieser Richtung gleich gar nicht aufkommen zu lassen, betonte IHK-Präsident Eberhart Reiff gleich zu Beginn seines Grußwortes, dass es vielen Firmen in der Region "nicht besser" gehe als der Stadt Reutlingen. Die "einschneidende Situation" erfordere "Kreativität", sagte der Unternehmer. "Immer nur Kosten senken, das wird unseren Standort auf Dauer nicht voranbringen." Reiff erklärte daher, die Wirtschaft stehe hinter "den großen Investitionen" der Stadt Reutlingen und nannte exemplarisch die Stadthalle.

 

Außerdem forderte der IHK-Präsident eine "lebendige Innenstadt" über die "keine Käseglocke" gestülpt werden dürfe. "Wir wünschen uns Leuchttürme", sagte Reiff und erwähnte in diesem Zug auch den "Platz vor dem Technischen Rathaus" als Entwicklungsbereich. Was das letztlich konkret für die IHK-Position zum – derzeit noch auf dem Postareal geplanten – ECE-Einkaufzentrum bedeutet, blieb er schuldig. Allgemein nur soviel: "Es geht alles nicht so weiter, wie wir uns das früher immer gedacht haben."

 

Dieser Prognose stimmte auch Joachim Möhrle zu. Der Präsident der Landeshandwerker und der Reutlinger Kammer meint in einer Zeit zu leben, "die aus den Fugen geraten ist". Im baden-württembergischen Handwerk hat der Funktionär aus Freudenstadt eine Stabilisierung ausgemacht. Sorgen bereite ihm deshalb momentan vor allem eine "Sinnkrise". Möhrle: "Ich frage mich, was passiert in diesem Land? Nimmt die Staatsgläubigkeit immer weiter zu?"

 

Letztere kann man dem Landeshandwerkspräsidenten nicht vorwerfen: "Wir rufen nicht nach dem Staat, weil wir wissen, dass auch der versagt hat." Vielmehr reiche es, sich auf die "Stärken der heimischen Wirtschaft" zu besinnen.

 

Smarte Sensoren als Boten der Stärke

Vertreten wurde diese Schlagkraft des baden-württembergischen Unternehmertums im Naturtheater von den Reutlinger Bosch-Forschern Jiri Marek und Michael Offenberg. Die beiden Träger des "Deutschen Zukunftspreises" stellten ihre Arbeit vor, eine mit über 600 Patenten abgesicherte Reihe von Prozessen, die es ermöglicht, Mikrosensoren in Masse zu fertigen. Von diesen (smarten) Sensoren, für die im neuen Reutlinger Halbleiterwerk dann Chips gefertigt werden sollen, produziert Bosch jährlich inzwischen 200 Millionen. Eingesetzt werden sie in Auto, Handys, Navigationsgeräten oder auch Laptops und Elektronikgeräten zur Unterhaltung.

 

Im Wasenwald ließen sich die Unternehmer, Kommunalpolitiker und -beamten dann noch vom Naturtheater-Ensemble unterhalten. Das öffnete seinen Horrorladen einen Spalt weit und bekam für die vier Musical-Sequenzen reichlich Beifall.




© 1999-2024 ITOGETHER