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20.07.2019 - Reutlinger General-Anzeiger

Sanftmut und süße Rache

Konzert – Die Württembergische Philharmonie mit ihrem ersten Sommer-Open-Air im Reutlinger Naturtheater

 

VON CHRISTOPH B. STRÖHLE

 

Die Württembergische Philharmonie hat gewagt und gewonnen. Das Sommer-Open-Air, das das Orchester erstmals im Reutlinger Naturtheater veranstaltete, wurde vom Publikum gut angenommen. Auch erwies sich, was musikalisch geboten war, als stimmig. Zu guter Letzt spielte auch das wunderbare Sommerwetter am Donnerstag bestens mit.

 

Der gebürtige Stuttgarter Johannes Klumpp führte pointiert moderierend und beherzt dirigierend durch das Konzert, das mit der Ouvertüre zum "Sommernachtstraum" von Felix Mendelssohn Bartholdy flirrend-melodisch, raunend und luzid begann. Am Ende stand – bei eingebrochener Dunkelheit und etwas mehr Hall, der den Sound des elektronisch verstärkten Orchesters prägte – der gespenstische Tanz des Teufels in Joseph Hellmesbergers "Danse diabolique". Eine Mischung aus virtuos dargebotener Jahrmarktsmusik und grellen Effekten.

 

Zwei Zugaben schlossen sich an, die neben dem Orchester Susanne Langbein (Sopran) und Sebastian Seitz (Bariton), Sänger mit beeindruckender Bühnenpräsenz, einmal mehr in bester Spiellaune zeigten. Sie legten mit einem Eifersuchtstango – Konzertmeister Timo de Leo wirkte hier als Solist – und dem Duett "Lippen schweigen" aus Franz Lehárs "Lustiger Witwe" nach.

Das Orchester mit Dirigent Johannes Klumpp und den Sängern Sebastian Seitz und Susanne  Langbein im Naturtheater. FOTO: STRÖHLE

Das Orchester mit Dirigent Johannes Klumpp und den Sängern Sebastian Seitz und Susanne Langbein im Naturtheater. FOTO: STRÖHLE

Keine Konzertmuschel, wie es sie stets bei der Classic Night im Kreuzeiche-Stadion gab, sondern eine Art Baldachin prägte die Bühne, die etwa bei der Balkonszene aus Leonard Bernsteins "West Side Story" auch die Naturtheater-Kulisse mit einbezog. Innig gestalteten Langbein und Seitz diese Szene. Ihre Version von "Tonight" trug spürbar den Wunsch in sich, alles, was vom trauten Hier und Jetzt ablenken könnte, zu vergessen. Mit George Gershwins "Summertime" aus der Oper "Porgy and Bess", von Langbein mit betörender Sanftmut gesungen, und Henry Mancinis "Moon River" aus dem Film "Frühstück bei Tiffany", bei dem Seitz gar nicht erst zu viel Kitsch aufkommen ließ, hatten die Sänger zuvor einzeln ihre Visitenkarten mit amerikanischer Musik des 20. Jahrhunderts abgegeben. Ein bisschen Kitsch aber durfte es dann doch sein – einer, bei dem im Publikum gelacht wurde: Hinten auf der Bühne wurde beim Stichwort ein künstlicher Mond hochgezogen, um zum Ende hin pflichtschuldig wieder zu verschwinden. Johannes Klumpp erwies sich als ausgebuffter Fabulierer, der mit großer Leichtigkeit in die Stoffe der (Musik-)Theaterliteratur einführte und dabei Namen wie Shakespeare oder Mozart mit Orten wie Riedlingen, Reutlingen, Bad Urach oder Kirchentellinsfurt verband.

 

Mozarts "Là ci darem la mano" zeigte neben einem beweglichen Orchester erlesene Stimmen – Sebastian Seitz als Charmeur und Verführer Don Giovanni und Susanne Langbein als sich sträubende und doch unübersehbar beeindruckte Zerlina. Das Publikum erfuhr von Johannes Klumpp, dass Otto Nicolai die Wiener Philharmoniker gegründet hat und bekam von diesem die Arie der Frau Fluth, in der sie auf süße Rache gegen sich selbst überschätzende Männer sinnt, aus "Die lustigen Weiber von Windsor" zu hören. Susanne Langbein machte daraus ein bejubeltes Kabinettstückchen. Das Orchester begleitete Sebastian Seitz ferner bei Gioachino Rossinis Lied "La Danza" im Rhythmus einer neapolitanischen Tarantella.




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