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25.06.2007 - Reutlinger General-Anzeiger

Naturtheater - Carlo Goldonis »Krach in Chioggia« entfesselt auf der Reutlinger Freilichtbühne südliches Temperament

 

Heißer Zank im kühlen Wald

Von Michael Merkle

 

Sommertheater so fein und prickelnd wie ein gutes Glas Prosecco - das konnten die Zuschauer zum Auftakt der Wasenwald-Festspiele genießen. Die Premiere von "Krach in Chioggia" war ein Fest für die Sinne. Nicht nur wegen des detailverliebten Bühnenbilds von Dankwart Schickler oder der tollen Kostüme von Trude Heck und Lucia Tunas. Das Stück von Carlo Goldoni, das Susanne Heydenreich zum 300. Geburtstag des Autors inszenierte, überzeugte in jeder Hinsicht. Stark die Leistung des gesamten Ensembles. So viel italienisches Temperament gab es wohl noch nie im Wasenwald.

 

Dabei beginnt der Tag ausgesprochen friedlich. Fischerhütten schmiegen sich in roten, gelben und türkisen Farben an den südlichen Rand der "venezianischen Lagune", Obst wird in einem Laden zum Verkauf rausgeräumt. Der Ort erwacht zum Leben. Mit sehnsüchtigen Blicken schauen die Frauen aufs Meer hinaus, erwarten ihre Männer. Die Fischer werden tatsächlich bald zurückkehren. Doch zuvor bringt der junge Bursche Toffolo (Tashin Kuzdere) das seelische Gleichgewicht der heiratswilligen Bewohnerinnen ins Wanken.

 

Die Sache mit der Kürbisschnitte

Er zahlt einer Frau eine geröstete Kürbisschnitte, flirtet hier und da ein bisschen, macht einige Andeutungen - und schon ist das Chaos perfekt. Nichts mehr scheint so zu sein wie zuvor. Als die Männer vom Meer zurückkehren, klappt es nicht lange mit dem Schweigegelübde. Schnell sind sie in die Vorgänge eingeweiht, werden als Eifersüchtige Teil des köstlich intriganten Spiels.

 

Die Sprache des Stücks wurde von Regisseurin Susanne Heydenreich mit viel Geschick modernisiert. Die Texte wirken lebendig und zeitgemäß, geben den Figuren Charakter und Witz. Da kommt nicht nur Eisbär Knut als aktuelles Zitat vor. Die wohldosierte Musik beschränkt sich auf Sequenzen, in denen sie gut passt. Italienisches Dolce Vita kommt auch ohne sie auf.

 

So viel südländisches Temperament will erst einmal glaubhaft auf die Bühne gebracht sein. Herrlich streitsüchtige Dialoge, kleine Zankereien und großer Zwist. Höhepunkt ist der sagenhafte Tumult der Frauen mitten auf der Piazza. Da wird mit Fisch um sich geschlagen, da wird gekniffen, an Haaren gezogen, gerauft und gepurzelt. Fantastisch.

 

Die Vorgänge im Ort müssen wegen einer Anzeige aufgearbeitet werden. Das bringt den Rechtspfleger Isidoro (Holger Schlosser) ins Spiel. Dieser ist neben dem superschwulen Fischer Vicenzo (Steffen Essigbeck) - ein Mann mit Fächer und Allüren - gewiss die schillernste Figur. Daneben glänzt auch der stotternde Fischer Fortunato (Pascal Muckenfuß). Alle drei bekommen für ihre Leistungen später zurecht besonders viel Applaus.

 

Disput am Fenster

Da Isidoro nicht nur seine vielen Kakteen innig liebt (eine sogar nach einem Malheur liebevoll verbindet) sondern auch für Frauen etwas empfindet, verfolgt der Rechtspfleger in den Verhören eigene Ziele. Die Streitigkeiten lassen sich sowieso nicht amtlich beseitigen. Dazu braucht es persönliche Vermittlung. Bis Titta Nane (Sascha Diener) und Lucietta (Claudia Sieger), Beppo (Denis Blank) und Orsetta (Julia Coolens) sowie Toffolo und Checca (Tanja Schönwälder) sich finden, passiert noch das eine und andere Zwischenspiel. Ein Fensterdisput hier, ein heiterer Umtrunk dort. Schließlich Entscheidungen mit Weitblick an der Mole. Was könnte einem solchen Ort eigentlich Besseres passieren als drei Hochzeiten? Der nächste Streit kommt sowieso bestimmt.




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