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05.08.2023 - Reutlinger General-Anzeiger

Konzert – Ray Wilson präsentiert mit Band im ausver-kauften Naturtheater vor allem Hits der Supergruppe Genesis

VON JÜRGEN SPIESS


Rock-Pop-Nostalgie unter Bäumen

REUTLINGEN. Nein, da vorne auf der Bühne steht nicht Phil Collins oder Peter Gabriel, sondern Ray Wilson, der die legendäre Progrockband Genesis zwei Jahre lang als Frontsänger beehrte. Der Schotte, den einige auch von seiner Hauptband Stiltskin kennen, zeigte am Donnerstag vor mehr als 1.000 Besuchern im komplett ausverkauften Naturtheater, weshalb er 1996 bei Genesis als dritter Frontsänger nach Peter Gabriel und Phil Collins auserkoren wurde.

 

Viele sind zu diesem von der Metzinger Rom Entertainment Company veranstalteten "Genesis Classic"-Konzert gekommen, um ihre Lieblings-stücke live zu hören, um mit der Musik von Genesis im Gefühl alter Verbundenheit zu schwelgen. Und sie werden nicht enttäuscht.

 

Ganz unprätentiös stehen Ray Wilson, der manchmal wie eine junge Version von Joe Cocker wirkt, und seine fünf überwiegend aus Polen stammenden Mitspieler Kool Lyczek (Keyboards), Marcin Kajper (Saxofon und Bass), Alicja Chrzaszcz (Geige), Mario Koszel (Drums) sowie sein Bruder Steve Wilson (E-Gitarre und Gesang) auf der Bühne und pumpen mit veritabler Lautstärke einen Hit nach dem anderen in die jubelnde Menge.

Sorgen für farbigen Sound im Wasenwald: (von links) Ray Wilson an der Gitarre, Alicja Chrzaszcz an der Geige und Marcin Kajper am Saxofon / Foto: Spiess

Sorgen für farbigen Sound im Wasenwald: (von links) Ray Wilson an der Gitarre, Alicja Chrzaszcz an der Geige und Marcin Kajper am Saxofon / Foto: Spiess

Während sich das Publikum zu Beginn des Konzerts noch etwas zurück-haltend gibt, ist der Bann spätestens ab dem vierten Titel "Sledge-hammer" von Peter Gabriel gebrochen. Vorne hält es die Besucher bei Songs wie "Carpet Crawlers" aus der frühen Genesis-Phase, "No Son of Mine", "Home by the Sea", "Follow You, Follow Me", "In the Air Tonight" oder "Another Day in Paradise" kaum noch auf den Sitzen, in den hinteren Reihen nicken ältere Besucher andächtig die Köpfe.

 

Viele Frauen im Publikum

Auffallend viele Frauen im Publikum recken in Verzückung die Arme in die Höhe, wenn Ray Wilson seinen melancholischen Blick aufsetzt. Eigentlich hat der 54-jährige Schotte, der seit 2008 der Liebe wegen in Polen lebt, nur wenig von einem Rockstar. Die meiste Zeit spart er sich das Pathos und beschränkt sich aufs Singen und Gitarrespielen.

 

Seine dunkle, etwas heisere Stimme klingt heute wärmer, voller und weniger aufgesetzt als zu Genesis-Zeiten, nur mit den höheren Stimmlagen hat er so seine Schwierigkeiten. Doch das stört an diesem Abend niemanden. Förmlich mit Händen zu greifen ist das Bedürfnis, einfach nur guten Musikern zu lauschen, und nicht einer perfekt choreografierten Bühnenshow, die optisch mehr hergibt als musikalisch. Jedenfalls wirkt der Auftritt dieser Band absolut unprätentiös. Kein Schnickschnack auf der Bühne, eine Lichtdramaturgie, die sich dem musikalischen Konzept stimmungsvoll anpasst und mit Ray Wilsons Bruder Steve ein Gitarrist, der seinem Vorbild Mike Rutherford in Bezug auf Fingerfertigkeit sehr wohl das Wasser reichen kann.

 

Mit Saxofon und Geige

Zur Abwechslung tragen auch die Soli des Saxofonisten Marcin Kajper und der Violinistin Alicja Chrzaszcz bei, die öfter in den Vordergrund treten. Nicht zu vergessen die Hits aus den Solokarrieren von Phil Collins und Peter Gabriel. Gerade diese Songs sind es, die unvergesslich bleiben, die ein funkelnder Beweis der oft unterschätzten Kreativität der Ur-Genesis-Mitglieder sind. Selbst Wilsons eigene Songs wie "Lemon Yellow Sun" oder das bombastische "Symptomatic", die er sparsam ins Programm einfügt, werden mehr als wohlwollend angenommen.


Am Ende ist das dicht gedrängte Publikum restlos begeistert. Einige singen lauthals mit, der Rest erlebt die zwei Zugaben "Land of Confusion" und "Knockin’ On Heaven’s Door" stehend und tanzend. Ein schönes Konzert, weil "Genesis Classic" einfach tolle Lieder präsentieren, deren emotionale Vielfalt über die musikalischen Formeln des Vergangenen hinaus berühren. (GEA)




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