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21.09.2019 - Reutlinger General-Anzeiger

Elvis verteilt Schweißtücher

Konzert – Nils Strassburg rock 'n' rollt das Naturtheater


VON ARMIN KNAUER

 

20.10 Uhr im Naturtheater, Elvis verteilt die ersten Schals. Elvis heißt an diesem Abend Nils Strassburg und kommt aus Stuttgart, aber die Koteletten gehen tief, die Stimme schnurrt samtig, der weiße Glitzeranzug liegt eng an. Eine große Combo bringt den Sound der Elvis-Spätphase ordentlich zum Funkeln, samt Bläser-Section und zwei Background-Sängerinnen.

 

Nach wenigen Rock 'n' Roll-Nummern flaniert Nils/Elvis bereits durchs Publikum, schwadroniert in einem karikierten Bühnenenglisch und verteilt singend Küsschen und Schals an die Damenwelt. Schals, mit denen er sich demonstrativ noch die Stirn abtupft und die umgehend von einem älteren Herrn ersetzt werden. Das zarte "Love Me Tender", vom Drummer stramm durchgeprügelt, wird zum Schweißtuch-Verkaufsschlager, meine Begleitung runzelt die Stirn.

 

20.30 Uhr, Nils/Elvis ist zurück auf der Bühne, seine Stimme hat Power, die Combo gibt Stoff. Es geht durch Cover der 60er/70er, Bluesrock und Bossa Nova, der E-Gitarrist wirft profunde Soli ein, die mehr nach Hardrock klingen, die Bläser-Sektion aus Sax, Posaune, Trompete dreht auf. Nils/Elvis schmachtet, schnurrt und croont, erhöht die Schlagzahl seiner Hüftschwünge, verteilt Küsschen und Schals, flirtet scherzhaft mit einer Sechsjährigen, meine Begleitung runzelt die Stirn tiefer.

 

20.50 Uhr, Nils/Elvis und die Combo biegen in ein Medley aus Beatles-Covers ein. Das fast voll besetzte Auditorium singt "Hey Jude" im Chor, Nils/Elvis scherzt noch mal mit der Sechsjährigen, verteilt letzte Schweißtücher, Pause.


Striptease im Silbersmoking

21.20 Uhr, Nils/Elvis tritt im Silbersmoking vor die tiefgekühlte Zuhörerschaft (der Frühherbst ist frostig), nun nur begleitet von einem akustischen Kontrabass, E-Gitarre, Bass- und Snaredrum, die vorne auf der Bühne stehen. Wir sind in der Frühphase des Meisters, das Klangbild wird intimer, was leider nur drei Songs anhält.

Charme, Stimme und typische Posen: Nils Strassburg im Naturtheater.
FOTO: KNAUER

Charme, Stimme und typische Posen: Nils Strassburg im Naturtheater.
FOTO: KNAUER

Dann entledigt sich Nils/Elvis in Striptease-Manier seines Smokings, öffnet lasziv das Hemd, die Damen kreischen, weitere Schweißtücher wandern zu weiblichen Fans, der Rest der Combo kehrt zurück. Nils/Elvis geht ab und erscheint im schwarzen Glitzerdress.

 

21.40 Uhr, die Combo erhöht die Power, Nils/Elvis röhrt, was das Zeug hält, die Spitzentöne erreicht er nun nur noch annähernd, sein Englisch wird so verwaschen, dass er selbst Witze darüber macht. Neben der Bühne wird eifrig getanzt, vor der Bühne wächst die Schlange der Anwärterinnen auf einen Schal, die Background-Sängerinnen haben sich wegen der Kühle Jäckchen umgehängt.

 

22.05 Uhr, letzter offizieller Song, längst ist klar, Strassburgs Auftritt ist ein Spiel, ist Parodie, jeder Ton eine Pose, jede Bewegung ein Zitat. Eine liebevolle Parodie, durchaus, und mitreißend zu erleben, mit welch körperlicher Vehemenz er sich da hineinwirft, wie hyperaktiv er das auslebt. Während hinter ihm die Band einen beachtlichen Sound hinlegt und der E-Gitarrist die Hand zum Pommesgabel-Zeichen der Metal-Fans formt. Bussi links und rechts, nächster Schal, der ältere Herr eilt herbei, hängt Nils/Elvis Ersatz um. Das Publikum tanzt und zieht mit.

 

22.20 Uhr, für den Zugabenblock hat sich Nils/Elvis extra noch mal umgezogen. Ganz in Leder streift er durchs Publikum, schmachtet, verteilt letzte Schals. Ein letzter Wink, dann geht er ab. Meine Begleitung entrunzelt die Stirn und packt die Decken zusammen. Irgendwie war es doch ein lustiger Abend. (GEA)




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