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19.06.2023 - Reutlinger Nachrichten

Wie Musik Welten verbindet

Reutlingen - Im Naturtheater feiert das Musical "Sister Act" eine gelungene Premiere. Für das Theater geht es in dieser Spielzeit aber auch um die eigene Zukunft. Von Alexander Thomys


Ein begeistertes Premierenpublikum war der Lohn für die rund 150 Aktiven des Naturtheaters Reutlingen, die vor und hinter der Bühne das Musical "Sister Act" im Rahmen der Wasenwald-Festspiele absolut überzeugend auf die Bühne brachten.


Im Mittelpunkt steht, wie in der Filmvorlage aus dem Jahr 1992, mit Whoopi Goldberg, die lebenslustige Sängerin Deloris van Cartier (Claudia Schickler), die sich als Kronzeugin in einem katholischen Kloster vor einem Gangsterboss, ihrem Ex-Freund Curtis (Holger Schlosser) verstecken muss.


Steak statt Fastentag

Dabei prallen, wenig verwunderlich, Welten aufeinander, sodass die Mutter Oberin (Susanne Hammann) irgendwann verzweifelt festststellt, dass Cartier mit ihrem Gesang nicht nur "vier Transvestiten", sondern gar auch "einen Protestanten" in ihre Kirche führt. Denn die unkonventionelle Nonne, die auch mal am Fastentag ein Steak in der nahen Bar verdrückt, krempelt den dahinsiechenden Nonnenchor kräftig um und weckt die Lebenslust in den gläubigen Ordensfrauen. Wie in der Filmvorlage steckt das auch das Publikum an - nicht nur einmal wird auf der ausverkauften Tribüne kräftig im Takt mitgeklatscht.


Allerdings, eine kleine Enttäuschung gibt es für diejenigen, die schon das Film-Original geliebt haben: Das Musical basiert zwar auf dem gleichnamigen Kinofilm, die Musikstücke wurden aber eigens für das Musical komponiert - die Songs aus dem Original sind auch auf der Bühne im Wasenwald nicht zu hören.


Wie übrigens auch das Musical an sich bis dato auf Amateurtheater-bühnen nicht auftauchte. "Erst in diesem Jahr wurde das Musical, das bisher Profibesetzungen vorbehalten war, für Amateurbühnen frei-gegeben", berichtete der Vorsitzende des Naturtheaters, Rainer Kurze, gleich zu Beginn - ehe sich der Theaterchef selbst die Robe aufzog und als Papst Paul VI. auf der Bühne auftauchte.


"Das Draußen ist ohne Sinn. Und ich will das Draußen nicht hier drin. Üben Sie Enthaltsamkeit."

Susanne Hammann - als Mutter Oberin des Klosters


Das Ensemble des Naturtheaters Reutlingen um Regisseur Alexander Reuter hat jedenfalls gleich zugeschlagen, als "Sister Act" freigegeben wurde - und hat damit "ins Schwarze getroffen", wie Kurze am Ende der Vorstellung angesichts der Standing Ovations des Publikums zufrieden bilanzieren konnte.


Was auch an den vielen Schauspielerinnen und Schauspielern liegt, die jede und jeder für sich In ihren Rollen das Zeug zu Publikumslieblingen haben. Angefangen bei der Nonne Schwester Mary Patrick (Sonja Soltic) und der angehenden Nonne Mary Robert (Désirée Giarrizzo), über die Gangster Joey (Vincent Knupfer) und Pablo (Markus Banaski) bis hin zum Polizeichef Eddie Souther (Roger Gaag).


Das Aufeinanderprallen der Welten zwischen der "Partybraut" van Cartier und der Mutter Oberin wird gleich in der Anfangsphase deutlich, als Susanne Hammann bei ihren starken Einzelauftritten singt: "Draußen fehlt der Sinn. Und ich will das Draußen nicht hier drin". Ihrer unwillkommenen Schutzbefohlenen empfiehlt sie: "Üben Sie Enthaltsamkeit und lassen Sie die Laster ihres alten Lebens gehn." So einfach ist das natürlich nicht - doch am Ende finden die alten und die neue "Schwester" zusammen - und es eröffnen sich nicht nur für die Starsängerin und den Papst gänzlich neue Welten. Am Ende kommt es dann auch zu einem Schuss - der ins Schwarze trifft, wie auch das Musical "Sister Act" im Wasenwald. Gespielt wird das Musical im Naturtheater übrigens noch bis zum 26. August.


Abrissbagger rollen an

Dann wird das hoffnungslos veraltete Betriebsgebäude des Naturtheaters abgerissen. Ein Neubau ist zwingend erforderlich, soll die Erfolgs-geschichte des Naturtheaters fortgeschrieben werden. "Wir hoffen, dass wir noch in diesem Jahr eine Lösung für die Gesamtfinanzierung finden", erklärte Kurze zu Beginn. Dann könnte der Baubeginn im Frühjahr 2024 starten. Fast 60 000 Euro an Spenden hat das Naturtheater hierfür allein in der vergangenen Spielzeit angesammelt, doch aus eigener Kraft sind die Kosten für das Theater nicht zu stemmen.


Kurze freute sich daher auch über den großen Zuspruch der Ehrengäste - von den Bundestagsabgeordneten Michael Donth (CDU) und Christian Kühn (Grüne) über den Landtagsabgeordneten Manuel Hailfinger (CDU) bis zu den Gemeinderäten, von denen fast die Hälfte zum Auftakt der Wasenwald-Festspiele gekommen war. "Das können sie ruhig als Zeichen werten", sagte dann auch Robert Hahn, der als Erster Bürgermeister zur Premiere zu den Besuchern sprach. Das Naturtheater, so attestierte Hahn, würde "Ehrenamt par excellence leisten, die Funktionsgebäude seien zudem "unstrittig abrissbedürftig". Die Stadt wollte daher ihren Anteil leisten, um die Finanzierung hinzubekommen. "Wenn die Zukunft dieser Institution auf dem Spiel steht, müssen sich die Geldgeber bewegen", betonte der Erste Bürgermeister.


Zu tun gibt es aber auch rund um das Naturtheater noch mehr als genug: Moderne Fahrradständer sind Mangelware, für Radfahrer und Fußgänger wird der Weg zum Naturtheater zum Spießrutenlauf zwischen den Autokolonnen, die wahlweise einen Parkplatz suchen oder plötzlich ausscheren, um Theaterbesucher nur kurz aussteigen zu lassen oder um zu überholen, weil es vermeintlich zu langsam voran geht. Den frommen Wunsch von Monsignore O'Hara (Ingo Raiser) - "Kommen Sie gut und gesegnet nach Hause" - nahmen daher vor allem die Fußgänger und Radfahrer gerne mit auf den - nicht beleuchteten - Nachhauseweg.





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