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23.08.2010 - Reutlinger General-Anzeiger

Heiße Musik und ein eiskalter Engel

Naturtheater - Sascha Dieners Mitternachts-Special "Hochzeit in Schwarz" entpuppt sich als mordreiche Rock-Revue

 

Von Armin Knauer

 

Statt "Vier Hochzeiten und ein Todesfall" hieß es im Naturtheater Samstagnacht "Fünf Todesfälle und eine Hochzeit". Einmal mehr hatte Sascha Diener zum Ende der Saison seiner Neigung zu schwarz-trashigem Humor hemmungslos freie Bahn gelassen. Das Ergebnis war spätabends als Mitternachts-Special mit dem Titel "Hochzeit in Schwarz" zu bewundern.

 

Es wurde eine Mischung aus Rock-Revue und Krimi-Parodie im Takt der Neuen Deutschen Welle. Da mordet sich eine gewisse Rosemarie (Carina Weber) fröhlich durch die Reihen ihrer Schwager, frei nach dem Grönemeyer-Motto: "Männer sind auf dieser Welt einfach ersetzlich". Und ein Kommissarsduo (Angela Sauter und Sophia Seitz) stellt mit Nena fest: "Dieser Kerl hatte kein Glück - irgendwie, irgendwo, irgendwann -"

 

Ausufernde Rückblenden

Die Handlung nacherzählen zu wollen, die sich durch ein Labyrinth aus Rückblenden windet, wäre kaum Erfolg versprechend. Irgendwie, irgendwo, irgendwann scheinen da auch gleich mehrere Storys mutwillig ineinander verkeilt, weil Textdichter Sascha Diener allzu viele Ideen im Kopf herumgingen. Zudem übertreibt er den Ehrgeiz, ja keinen Witz auszulassen. So werden einige Ideen totgeritten, die nicht wirklich tragen - etwa der Gag mit dem Aufzählen komplizierter Verwandtschaftsbeziehungen.

 

Aber genug gemotzt, denn letztlich hat die Sache großen Spaß gemacht. Erstens, weil sich das Stück auch bei hehren Themen wie Kirche und Gott, Liebe und Tod von lästigen Geschmacksgrenzen nicht im Mindesten ausbremsen lässt. Und zweitens, weil es erstaunlich gut gemacht ist, was die Akteure da nach nur sieben Wochen Probenzeit vorlegen.

 

Die mit Alexander Reuter einstudierten NDW-Songs von Spider Murphy Gang bis DÖF sind famos gesungen. Carmen Lamparters Tanzchoreografien reißen mit Witz und Tempo mit. Die Inszenierung von Sascha Diener gibt flammenden Liebesszenen genauso Raum wie ausgeflippten Blödeleien. Dazu kommen Schwarzlicht-Effekte, Feuerwerk, Discoblitzlicht und Videos: Braut Rosemarie (Carina Weber) und ihr Bräutigam Rolf (Johannes Blattner) lotsen die Zuschauer von der Leinwand herab durch die Rückblenden. Lustig springt die Inszenierung zwischen Problemfilm, Komödienstadel und psychedelischem Bilderrausch hin und her. Das hat was!

 

Stark sind die Darsteller. Bei Carina Weber als mörderischer Braut läuft's einem kalt den Rücken runter. Marc Weinmann spielt Gott als hippen Rockstar-Youngster, der sich bei Carlos Vogt die tiefe Stimme leiht. Sascha Diener sorgt als Pfarrer für Ordnung. Julia Coolens gibt ein herrlich gouvernantenhaftes Muttertier ab, mit Andreas Pedretti als stimmiger Gatten-Karikatur an der Seite. Melanie Hageloch, Manuela Hansow und Frauke Rausenberger sind ein schrilles Schwestern-Trio. Von ihren todgeweihten Bräutigamen Vito Marcio, Denis Blank und Maximilian Knoll hat Letzterer den schärfsten Auftritt - in einer Erotiktanz-Parodie mit Manuela Hansow.

 

Hoch motivierte Akteure

Marco Honisch als Kinderfreund der bösen Rosemarie hat einen "bombigen" Abgang; Claudia Sieger als seine Mutter macht ihrem Schmerz stimmgewaltig Luft. Die junge Rosemarie wird prima durch Jenny Glaunsinger verkörpert. Für Lacher in Slapstick-Rollen sorgen Pascal Muckenfuß als Postbotin, Tilmann Scheck als Müsli-Promoter und das schräge Kommissarsduo. Dazu kommen eine sexy Engelsgruppe und viele weitere hoch motivierte, zum Teil noch ganz junge Akteure in Tanz- und Ensembleszenen. Am Ende feierten über tausend Zuschauer frenetisch das Ensemble und Sascha Diener als Kopf des Ganzen.




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