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31.07.2019 - Reutlinger General-Anzeiger

"Ich bin nicht Elvis"

Show – Nils Strassburg wandelt auf den Spuren des King of Rock ’n’ Roll. Am 19. September im Naturtheater


VON ARMIN KNAUER

 

Es ist schon komisch. Man betritt den Raum – und Elvis lehnt am Tresen. Mitten im Wasenwald, in der Geschäftsstelle des Reutlinger Naturtheaters. Die Koteletten, die Tolle, das energische Kinn, der sanfte Blick – alles da.

 

Elvis ist tot, deshalb muss es wohl Nils Strassburg sein, der an der Theke lehnt. Wir sind mit ihm zum Gespräch verabredet. Im September wird er auf der Freilichtbühne mit seiner Elvis-Show auftreten. Ein weiterer Elvis-Imitator? Strassburg winkt ab. "Ich bin nicht Elvis", betont der Stuttgarter. "Ich bezeichne mich auch in der Show nie als Elvis. Ich habe keine seiner Posen studiert. Ich bin Nils."

 

Ein Nils allerdings, der sich im Laufe des Konzerts intensiv mit dem Idol seines Lebens auseinandersetzt. Der sich der Legende annähert, anschmiegt, ihren Spirit aufsaugt. "Und irgendwann gleitet Nils in die Elvis-Sphäre hinüber. Wird zu Nilvis oder so etwas." Sagt es und grinst ein lausbübisches Elvis-Lächeln. Der Über-Rock ’n’ Roller trat früh in sein Leben. Bis viereinhalb lebte Strassburg sogar in den USA, in Vermont nördlich New York. Pech für den kleinen Nils, dass seine Eltern auf Joe Cocker und die Beatles standen. "Elvis ist damals noch dort getourt, sie sind nie mit mir hin", klagt er.


Erlebnis mit sechs

So kam die schicksalhafte Begegnung erst mit sechs. Zu Besuch bei Verwandten in Köln läuft eine Elvis-Doku, als er mit dem Cousin spielt. "Ich hab die Playmobil-Figuren fallen lassen und konnte nur noch auf die Schwarz-Weiß-Bilder gucken." Auf der Rückfahrt muss sein Vater die Radiokanäle nach dem geheimnisvollen Sänger absuchen. Als die samtig-sonore Stimme nicht zu finden ist, kauft der entnervte Papa eine Kassette.

Nicht Elvis, sondern Nils lässt hier den Rock 'n' Roll raus. Das aber nicht weniger energiegeladen und auch optisch nah am Original. FOTO: PENCZ

Nicht Elvis, sondern Nils lässt hier den Rock 'n' Roll raus. Das aber nicht weniger energiegeladen und auch optisch nah am Original. FOTO: PENCZ

Elvis bleibt Strassburgs Heiligtum. Zu heilig, als dass er ihn gespielt hätte, als er mit zwölf seine erste Band aufmacht. Auch bei seinen weiteren Bands, erst als Gitarrist, dann als Sänger, gilt die Devise: alles außer Elvis. Erst recht, als er andere Elvis-Darsteller sieht. Die kopierten Posen, die künstlich auf Elvis getrimmten Schnulzen zum Halbplayback. Das will er seinem Idol nicht antun. "Klar, er war auch ein Arschloch", räumt er ein. Er hasst den klischeehaft verklärten Blick auf sein Idol. "Aber sind wir das nicht alle gelegentlich? Und er war oft so verzweifelt und verlassen. Er hatte so viel Begabung. Alles davon hat er seinen Fans gegeben. Er stand auf der Bühne bis zum Schluss."

 

Bis er 27 ist, bleibt Strassburg seinem Prinzip treu. In der Werbebranche hat er Tritt gefasst, daneben immer Musik gemacht – nur nichts von Elvis. Bis seine Schwester Geburtstag feiert. Einmal, nur ausnahmsweise, lässt er sich zu einer Elvis-Einlage breitschlagen. Die Resonanz überrollt ihn. Tage später hat er mehrere Buchungen für Veranstaltungen auf dem Tisch liegen. Die Leute wollen Elvis erleben. Sie wollen IHN als Elvis erleben. Strassburg grübelt. Wenn Elvis sein Schicksal sein soll, nun denn.

 

Aber dann richtig. Kein Halbplayback. Keine leeren Posen. Sondern der Spirit des Meisters, mit ganzer Seele erfühlt. Die Musik mit der Wucht einer erstklassigen Live-Band. "Es ist gar nicht leicht, in Deutschland Musiker zu finden, die diesen US-Drive draufhaben. Die meisten Profis hier gehen mit Logik an die Musik heran – aber diese Musik ist nicht logisch, man muss sie fühlen: die Temposchwankungen, das Atmende."

 

Nie vor der Fischtheke

Ein komplettes Jahr sucht er nach Musikern. Feilt am Konzept der Show. 2013 startet die Sache. Wobei er seinen Job als Werbemensch in der Musikbranche behält. Er will sich nicht dem Druck aussetzen, jeden Auftrag annehmen zu müssen. Auch nicht dem Druck, spartanisch zu besetzen, damit genug Geld übrig bleibt. "Elvis hat es nicht verdient, dass man ihn mit Halbplayback aufführt. Oder vor der Fischtheke."

 

Inzwischen hat er seine Besetzung gefunden. Einen Schlagzeuger, der die Band durch die subtilen Temposchwankungen der heißen Rock ’n’ Roll-Rhythmik führt. Jenes zarte Beschleunigen oder Verzögern, das die Originalband mangels Monitorboxen damals noch an den lasziven Hüftbewegungen des Frontmanns ablesen musste. Sodass einer seiner Musiker einmal witzelte: "Wir sind die einzige Band, die von einem Arsch dirigiert wird."

 

Seine Musiker, versichert Strassburg, seien auch in der Lage, das puristische, stark akustische Klangbild der frühen Elvis-Phase in den 1950ern zu zaubern. Dafür wird im Naturtheater eine zweite Bühne aufgebaut, ganz dicht beim Publikum. Sodass die Slap-Bässe des Kontrabassisten, die rasenden Soli des Gitarristen in ihrer Körperlichkeit unmittelbar spürbar werden. "Das reißt die Leute mit", schwärmt Strassburg, "diese Nähe und Direktheit, mehr als die opulente Breite der großen Besetzung." Denn für die Stücke der 60er- und 70er-Jahre hat er eine ganze Bläser-Sektion dabei: mit Posaune, Trompete, Sax, Querflöte – auch Background-Sängerinnen.

 

Es sind die extrem unterschiedlichen Phasen Elvis Presleys, die Strassburg greifbar machen will: den jungen Sänger, der seine bittere Lebenserfahrung in schmerzliche Balladen fließen lässt. Der dem Rock ’n’ Roll die Sporen gibt. Den späteren, der sich die großen Hits der Beat- und Rock-Ära anverwandelt. Der ihnen seine besondere Färbung gibt.

 

Versprochen ist eine Reise durch Elvis’ Leben – nur mit Musik. Ohne Sprechszenen, nur verbunden durch kurze Audio-Einspielungen aus dem Off, um klarzumachen, wo wir uns gerade befinden. Ein reines Konzert – und doch das klingende Porträt eines Lebens. Ein Porträt, in dem nicht Posen nachgeahmt, sondern mit musikalischer Leidenschaft der Spirit des Meisters erspürt wird. Durchaus mit Koteletten, Haartolle und Glitzerdress.

 

Wer ein szenisches Porträt von Elvis’ Leben sehen will, wird von Strassburg übrigens auch bedient. In dem Musical "Elvis, Comeback!", von Strassburg, dem mit ihm eng befreundeten Schauspieler Antonio Lallo und dem in Deutschland lebenden US-Autor James Lyons in Kooperation mit der Württembergischen Landesbühne Esslingen entwickelt. Hier spielt er selbst den Star. Mit all seinen Höhenflügen und Abstürzen. Vielleicht wäre das ja auch mal was für die Wasenwald-Festspiele. Naturtheater-Chef Rainer Kurze braucht ja auch noch Gastspiel-Stoff für spätere Spielzeiten. (GEA)

 

Nils Strassburg and The Roll Agents: 19. September, 20 Uhr, Naturtheater Reutlingen




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